MUSIK IN ALTEN STÄDTEN UND RESIDENZEN


1 LP - C 91 104 - (p) 1961
1 CD - 9 28340 2 - (p) & (c) 2013

EISENSTADT - Am Hofe des Fürsten Esterházy




Joseph Haydn (1732-1809) Lo Speziale (Der Apotheker) - Dramma giocoso nach einem Libretto von carlo Goldoni (1768)

A1

1. Ouvertüre 6' 51"

2. Arie des Mengone: "Per quel che ha mal di stomaco" - (1. Akt, Szene 4) 4' 39"




Joseph Haydn Barutontrio Nr. 96 h-moll Hob. XI:96 - "Divertimento á tres 96 to per il Pariton, Viola e Basso"

A2

3. Largo 6' 02"

4. Allegro 4' 12"

5. Menuett 2' 31"




Gregor Joseph Werner (1695-1766) Pastorella de Nativitate Domini (Hirtenkantate zur Christnacht) - für Sopran, Alt, Tenor, Baß, 2 Oboen, 2 Violinen und Basso comtinuo
B1

6. Aria pastoritia: "Auf, auf, ihr Hurten allzugleich" 5' 35"

7. Choral: "Der Tag, der ist so freundenreich" 1' 23"




Gregor Joseph Werner Pastorella in D - für konzertierende Orgel und Streicher - Herausgegeben von ernst Fritz Schmid

B2

8. Andante 2' 57"

9. Larghetto 3' 01"

10. Allegro 1' 44"




Joseph Haydn 11. Te Deum C-dur Hob. XXIIIc:2 - (Vermutlich 1800)
10' 07" B3



 
Theo Altmeyer, Tenor (2,6-7) Chor der St. Hedwigs-Kathedrale Berlin (11)
Alfred Lessing, Baryton (3-5) Berliner Philharmoniker / Karl Forster, Leitung (1-2,6-11)
Paul Schröer, Viola (3-5)

Irene Güdel, Violoncello (3-5)

Lisa Otto, Sopran (6-7)

Sieglinde Wagner, Alt (7)

Theo Adam, Bass (6-7)

Wolfgang Meyer, Orgel (6-11)

 






Luogo e data di registrazione
- Gemeindehaus, Berlin-Zehlendorf (Germania) - febbraio 1961 (1-2)
- Electrola-Studio, Köln (Germania) - febbraio 1961 (3-5)
- Grunewaldkirche, Berlin (Germania) - febbraio 1961 (6-11)


Registrazione: live / studio
studio

Producer / Engineer
Fritz Ganss (1,2,6-11) / Gerd Berg (3-5) / Christfried Bickenbach & Horst Lindner (1,2,6-11) / Ernst Rothe (3-5)

Prima Edizione LP
Columbia - C 91 104 - (1 LP) - durata 49' 50" - (p) 1961 - Analogico

Altre edizioni LP

-

Edizioni CD
EMI Music - 9 28340 2 - (1 CD) - durata 49' 50" - (p) & (c) 2013 - ADD

Cover
Arx Kismarton - Esterházisches Schloß in Eisenstadt (um 1680) - Burgenländisches Wolfmuseum, Eisenstadt














Musik am Hofe der Fürsten Esterházy
Das ehemals kleine und verträumte Eisenstadt, südlich von Wien zwischen dem Leithagebirge und dem Neusiedlersee liegend, ist durch die nach dem Ersten Weltkrieg vorgenommene Teilung Österreich/Ungarns schließlich 1926 Landeshauptstadt und damit Sitz der Landesregierung des Österreich zugefallenen Burgenlandes geworden. Die jetzt etwa 6000 Einwohner zählende Stadt verdankt ihre Berühmtheit aber weniger dieser politischen Entwicklung, als vielmehr dem Umstand, daß das Geschlecht der Esterházy hier seinen Stammsitz hat und neben Wissenschaft und Kunst der Musik eine besondere Pflegestätte gab. Hier wirkte eine stattliche Reihe hervorragender Kapellmeister und ausgezeichneter Musiker, allen voran von 1761-1790 Joseph Haydn, der Großmeister der Klassik.
Die Familie Esterházy war 1622 durch Pfandrecht in den Besitz der Herrschaften Eisenstadt und Forchtenstein gekommen und hatte bereits nach einem runden Vierteljahrhundert die alte Burg Eisenstadt zu erwerben vermocht. Der Aufstieg zu einer Großmacht erfolgte unter dem langen und sehr erfolgreichen Majorat des Palatin Paul, der 1687 in den Fürstenstand erhoben wurde. Er war es auch, der die Umgestaltung und den Umbau der alten Burg in das im großen und ganzen noch heute in dieser Form erhaltene Barockschloß vorgenommen und 1672 beendet hat. Aber nicht nur seine wirtschaftlichen und politischen Fähigkeiten brachten diesem ersten Fürsten der Familie Esterházy Anerkennungen ein, er war auch ein besonderer Kenner und Förderer der Musik; er besaß nicht nur eine eigene Musikkapelle, sondern hat sich auch in seiner „Harmonia caelestis seu Melodiae musícae per decursum totius anni adhibendae ad usum musicorum" von 1711 als vorzüglicher Musiker und Dichter erwiesen. Durch ihn entwickelte sich das Eisenstädter Schloß (und damit auch das seit 1648 zur Freistadt erklärte Eisenstadt) immer stärker zu einem geistigen und künstlerischen Zentrum in Europa.
Unter Paul Anton (von 1721-1762 regierender Fürst) diente der vorzügliche und fruchtbare Kapellmeister und Komponist Gregor Joseph Werner; auch Joseph Haydn wurde in der Regierungszeit des Fürsten Paul Anton als Vicekapellmeister der Hofkapelle nach Eisenstadt berufen. Fürst Nicolaus I. fand bei seinem Regierungsantritt nach dem Tode seines Bruders Paul Anton alle Bedingungen vor, die ihm die Möglichkeiten gaben, einen außerordentlich prachtvollen Hof zu führen und einen Prunk zu entfalten, den Goethe anläßlich der Krönung Joseph II. zum Deutschen Kaiser in Frankfurt am Main 1765 als das „esterházysche Feenreich" preisen ließ und der Nicolaus den Beinamen „der Prachtliebende" oder „der Prächtige" einbrachte. Trotz des bereits in Eisenstadt vorhandenen Stammsítzes und des Schlosses in Forchtenstein, der beiden herrschaftlichen Palais in Preßburg und Wien ersetzte er das Jagdschloß Süttör durch das nach französischem Geschmack und Prunk eingerichtete und berühmt gewordene Prachtschloß Esterháza, das nach mehrjähriger Bauzeit 1769 fertiggestellt wurde. Hier residierte Fürst Nicolaus in den Sommermonaten und veranstaltete seine mehrfach beschriebenen Feste, die sich meist über zwei bis drei Tage erstrecktenl und erlesene Opern- und Schauspielaufführungen, Konzerte, Festgelage, Bälle, Volksbelustigungen und Volkstänze sowie illuminationen von Park und Schloß, Feuerwerke und sogar gauklerische Vorführungen umfaßten. Musik und Oper waren freilich besondere Höhepunkte der Esterházyschen Feierlichkeiten. Für die Schauspíele wurden jeweils wandernde Bühnentruppen verpflichtet, so unter anderem die vortreffliche Wahrsche Theatergesellschaft. Darüberhinaus besaß die Familie Esterházy eine der berühmtesten Gemäldesammlungen, die später den Grundstock zu der kostbaren Budapester Nationalgalerie legte.
Als Musiker von beträchtlichen Fähigkeiten war Fürst Nicolaus um den Ausbau der Hofkapelle besonders bemüht. Nach seinem Wunsch hat Haydn von 1776 bis zu des Fürsten Tod 1790 einen Opernbetrieb aufgebaut, der in seiner Vielseitigkeit und Qualität sich gleichberechtigt neben den in Wien stellen konnte. Haydns Haupttätigkeit in Eisenstadt am esterházyschen Hof deckt sich im großen und ganzen mit der Regierungszeit des Fürsten Nicolaus, und Haydn hat es diesem Fürsten zu verdanken, daß er jene Bedingungen vorfand, die sein Genie zur Entfaltung benötigte. Ihm stand zwar ein nur kleines, aber mit vorzüglichen Musikern besetztes Orchester zur Verfügung; stellvertretend seien hier der Konzertmeister Luigi Tomasini, die Violoncellisten Joseph Weigl, Vater des später bekannt gewordenen Opernkomponisten Joseph Weigl (dem Schöpfer der „Schweizer Familie"), und Anton Kraft genannt. Haydn war sich dieser glücklichen Arbeitsbedingungen dankbar bewußt, wie eine Mitteilung an seinen Freund und ersten Biographen Griesinger belegt:
„Mein Fürst war mit allen meinen Arbeiten zufrieden, ich erhielt Beyfall, ich konnte als Chef eines Orchesters Versuche machen, beobachten, was den Eindruck hervorbringt, und was ihn schwächt, also verbessern, zusetzen, wegschneiden, wagen; ich war von der Welt abgesondert, Niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irre machen und quälen, und so mußte ich original werden."
In seiner autobiographischen Skizze von 1776 schreibt er zusätzlich, daß er beim Fürsten Esterházy „zu leben und zu sterben wünsche". Erst später hat er die Einsamkeit und die Abgeschlossenheit von der großen Welt mit ihren musikalischen Anregungen beklagt. Jedoch hat er die Bindungen an den Fürsten Esterházy nie aufgegeben. Als Nicolaus II., der vierte Fürst, dem Haydn zu dienen hatte, nach dem vierjährigen Interregnum ohne Orchester und Theater das Musikleben an seinem Hofe wieder begründete und zu neuem Ruf und Ansehen führte, nahm Haydn den Dienst für die Hofkapelle nach seiner zweiten Londoner Reise 1795 von Wien aus wieder auf. Er komponierte zwischen 1796 und 1802 noch seine sechs großen Messen für seinen Fürsten bzw. zum Namenstag seiner Fürstin Maria Hermenegild, geborene Prinzessin von Liechtenstein, die ihrem Kapellmeister sehr gewogen war. Daß es nach den zwei Londoner Reisen, die Haydn als selbständiger und freier Komponist und Musiker unternommen und die ihm sogar den akademischen Grad eines Doktors der Tonkunst an der Oxforder Universität eingebracht hatten, nicht wie bei Wolfgang Amadeus Mozart zu einem Bruch, sondern zu einer vollbefriedigenden Zusammenarbeit mit seinem Fürsten kam, lag neben Haydns eigenem Charakter an der Bereitschaft des Fürsten Nicolaus II., seinem Kapellmeister und Komponisten die gebührende Freiheit zu gewähren und jene ehrerbietige Achtung entgegen zu bringen, die in der fürstlichen Anrede „Herr von Haydn" ihren Ausdruck fand. So blieb Haydn bis ins hohe Alter mit Eisenstadt verbunden, mit jener Stadt, in der er fast 30 Jahre gelebt hat und in der ein sehr großer Teil seiner Werke uraufgeführt worden ist. In der ehemaligen Kloster-, jetzigen Haydn-Gasse 21 hat er ein eigenes Haus besessen, das zweimal durch Feuersbrunst, und zwar 1768 und 1776, fast Vollständig zerstört und mit Hilfe der Stadt und seines Fürsten wieder aufgebaut worden war. Höchstwahrscheinlich sind durch diese beiden Katastrophen auch etliche seiner Werke vernichtet worden, darunter vermutlich ein Kontrabaßkonzert. Ebenso wie sein Vorgänger Gregor Joseph Werner hat Haydn neben den beruflichen Verpflichtungen nach den Eintragungen in den Eisenstädter Kirchenbüchern auch als Trauzeuge und Taufpate an dem persönlichen Schicksal, seiner Musiker teilgenommen. Diese burgenländische Stadt hat also nicht zuletzt durch Haydns Leben und Wirken ihre besondere Auszeichnung erhalten.
Johann Nepomuk Hummel, den Haydn sehr geschätzt hat, wurde 1804 für die Leitung der Hofkapelle gewonnen, während Verhandlungen mit dem in Paris lebenden Cherubini zu keinem Ergebnis führten. In Hummels Kapellmeistertätigkeit fällt auch die Uraufführung von Beethovens C-dur Messe am 13. September 1807 in Eisenstadt, die im Auftrage des Fürsten Nicolaus II. entstanden ist und große Bewunderung und Aufsehen erregte. Obwohl es unter Hummel zu einem abwechslungsreichen und vielseitigen Musik- und Theaterbetrieb vor allem mit deutschen Opern gekommen ist, hat seine Wirksamkeit am Hofe der Esterházy unter seinen eigenen menschlichen Schwächen gelitten. Nur durch Haydns Vermittlung dürfte die erste Entlassung nicht wirksam geworden sein, schließlich kam es 1811 doch zur Beendigung des Dienstverhältnisses. Die recht stark vertretene Kapelle erhielt nach einer kurzen Zwischenzeit mit Antonio Polzelli (1812/13) den bereits seit längerem als Vicekapellmeister wirkenden Johann Nepomuk Fuchs zum Leiter. Franz Liszt, der Sohn eines esterházyschen Gutsverwalters, empfing durch diese Kapelle erste Anregungen und fand in seinem Fürsten einen wohlwollenden Förderer. Das Hoforchester wurde jedoch bereits 1813, dann noch einmal 1827 verkleinert und schließlich 1848 gänzlich aufgelöst. Damit hörte ein Musikzentrum auf zu bestehen, das etwa 50 Jahre hindurch zu den ersten Kulturstätten Europas gezählt hatte.

Auszug aus der autobiographischen Skizze, die Haydn dem Herausgeber eines biographischen Lexikon: großer Zeitgenossen 1776 in Form eines fiktiven Briefes zur Verfügung stellte.
„Ich wurde geboren Anno 1732 den letzten Mertz in dem Marktfleck Rohrau in Unterösterreich bei Prugg an der leythä. Mein Sel. Vatter ware seiner Profession ein Wagner und Unterthan des Grafen Harrachs, ein von Natur aus großer Liebhaber der Musik. Er spielte ohne eine Note zu kennen die Harpfe, und ich als ein Knabe von 5 Jahren sang ihm alle seine simple kurze Stücke ordentlich nach, dieses verleitet meinen Vatter mich nach Hainburg zu dem Schul Rector meinen Anverwandten zu geben, um allda die musikalischen Anfangs Gründe sammt anderen jugentlichen Notwendigkeiten zu erlehrnen. Gott der Allmächtige (welchem Ich alleínig so unermessene Gnade zu danken) gab mir besonders in der Musik so viele Leichtigkeit indem ich schon in meinem 6. Jahr ganz dreist einige Messen auf dem Chor herabsang, auch etwas auf dem Clavier und Violin spielte.
In dem 7. Jahr meines alters hörte der Sel. Herr Kapell Meister von Reutter in einer Durchreise durch Hainburg von ungefähr meine schwache doch angenehme Stimme. Er nahme mich alsogleich zu sich in das Capell Hauss, allwo ich neben dem Studiren die singkunst, das Clavier und die Violin von sehr guten Meistern erlehrnte, ich sang allda sowohl bei St. Stephan als bei Hof mit großem Beifall bis in das 18. Jahr meines Alters den Sopran. Da ich endlich meine Stimme verlohr, mußte ich mich in Unterrichtung der Jugend ganzer acht Jahr kummerhaft durchsdwleppen (durch dieses Elende Brod gehen viele Genie zu Grunde, da ihnen die Zeit zum Studiren mangelt), die Erfahrung traffe mich leider selbst, ich würde das wenige nie erworben haben, wann ich meinen Compositions Eyfer nicht in der Nacht fortgesetzt hätte, ich schriebe fleißig, doch nicht ganz gegründet, bis ich endlich die Gnade hatte von dem berühmten Herrn Porpora (so dazumal in Wien war) die ächten Fundamente der setzkunst zu erlehrnen: endlich wurde ich durch Recomendation des seligen Herrn von Fürnberg (von welchem idw besondere Gnade genosse) bei Herrn Grafen von Morzin als Direkteur, von da aus als Capellmeister bei Sr. Durchl. dem Fürsten Esterházy an und aufgenommen, allwo ich zu leben und zu sterben mir wünsche."
Haydn: Anstellungsvertrag in Esterházy. „Convention und Verhaltungs-Norma des Vice-Capel-Meisters" benannt, enthält in vierzehn Artikeln unter anderem folgende Vorschriften:
„Heute Endesangesetzten Tag und Jahr ist der in Österreich zu Rohrau gebürtige Joseph Heyden bey Ihro Durchlaucht Herrn Paul Anton des Heyl. Röm. Reichs Fürsten zu Esterházy und Galantha etc. als ein Vice-Capel-Meister in die Dienste an- und aufgenommen worden, dergestalten das weilen
1 mo. zu Eysenstadt ein Capel-Meister nahmens Gregorius Werner schon lange Jahre hindurch dem hochfürstl. Hause Treu, emsige Dienste geleistet, nunmehro aber, seines hohen Alters und daraus öfters entstehender unpäßlichkeit halber, seiner Dienst-schuldigkeit nachzukommen nicht allerdings imstande ist, so wird er Gregorius Werner, dannoch in Ansehung seiner langjährigen Dienste ferners, als Ober-Capel-Meister verbleiben, er Joseph Heyden hingegen als Vice-Capel-Meister zu Eysenstadt in der Chor-Musique Ihme, Gregorio Werner, qua Ober-Capel-Meistern subordiniert seyn, und von ihme dependieren. In allandern Begebenheiten aber, wo eine Musique immer gemacht werden solle, wird alles, was zur Musique gehörig ist, in Genere und Specie an ihn Vice-Capel-Meister angewiesen. sofort
2 do. wird er Joseph Heyden als ein Haus-Officier angesehen, und gehalten werden. Darum hegen Sr. Hochfürstl. Durchlaucht zu ihme das gnädige vertrauen, dass er sich also, wie es einem Ehrliebenden Haus-Officier bei einem fürstlichen Holfstadt wohl anstehet, nüchtern, und mit denen nachgesetzten Musicis nicht Brutal, sondern mit glimpf und arth bescheiden, ruhig, ehrlich, aufzuführen wissen wird, haubt-sächlich, wann vor der Hohen Herrschaft eine Musique gemacht wird, solle er Vice-Capel-Meister samt den subordinirten allezeit in Uniform und nicht nur er Joseph Heyden selbst sauber erscheinen, sondern auch alle andere von ihm dependirende dahin anhalten, dass sie der ihnen ausgegebenen Instruction zufolge in weissen Strümpfen, weisser Wäsche, eingepudert, und entweder in. Zopf oder Har-Beutel, Jedoch durchaus gleich sich sehen lassen.
7 mo. Solle er Vice-Capel-Meister auf alle Musicalien, und Musicalische Instrumenten all-möglichen Fleiss und genaue Absicht tragen, damit diese aus unachtsamkeit, oder nachlässigkeit nicht vertorben, und unbrauchbar werden, auch für solche repondiren.
8 vo. Wird er Joseph Heyden gehalten seyn, die Sängerinnen zu instruiren, damit sie das Jenige, was sie in Wlenn mit vieller mühe und speesen von vornehmen Meistern erlernet haben, auf dem Land nicht abermal vergessen, und weillen er Vice-Capel-Meister in unterschiedlichen Instrumenten erfahren ist, so wird er auch in all-jenen, denen er kundig ist, sich brauchen lassen.
14 to. Verspricht die Herrschaft ihne Joseph Heyden nicht nur so lange in Diensten zu behalten, sondern wenn er eine vollkommene Satisfaction leisten wird, soll er auch dıe expectanz auf die Ober-Capel-Meisters-stelle haben, widrigenfalls aber ist Hochderselben allezeit frey, ihne auch unter dieser Zeit des Dienstes zu entlassen
Urkund dessen sind zwey gleichlautende exemplaria gefertigt, und ausgewechselt worden.
Gegeben Wienn, den 1. May 1761.
Ad Mandatum Celsissimi Principis
Johann Stifftel
Secretair

Eisenstädter Schloßkonzert
Trotz der Bemühungen des 1960 verstorbenen Ernst Fritz Schmid, dem Editionsleiter der Neuen Mozart-Gesamtausgabe, steht das Schaffen des esterházyschen Kapellmeisters und fürstlichen Komponisten Gregor Joseph Werner immer noch vollkommen im Schatten seines großen Nachfolgers Joseph Haydn. Uber den Lebensweg Werners ist bisher nicht viel bekannt geworden. Nach der Inschrift seines Grabdenkmals ist er 1695, vielleicht in Augsburg, geboren. Es wird vermutet, daß er in Wien bei dem berühmten Hofkapellmeister Johann Joseph Fux und bei Antonio Caldara seine Musikstudien betrieben habe. Am 10. Mai 1728 wurde er jedenfalls als „Capellmeister" an die fürstlich-esterházysche Hofmusik berufen. Pflichtgetreu und fleißig hat er die Aufgaben, die diese Stellung mit sich brachte, bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1761 erfüllt. Der junge und tatkräftige Joseph Haydn übernahm zu diesem Zeitpunkt die Leitung der Hofkapelle. Werner wurde zwar zum Oberkapellmeister ernannt und blieb für die Kirchenmusik, seine eigentliche Domäne, weiterhin zuständig; diese Regelung erwies sich aber als ungünstig und führte zu Spannungen. Werner verstand den Kompositionsstil seines jungen Kollegen nicht und soll Haydn einen „Modehansl" und „Gsanglmacher" genannt haben. Haydn hat Werner diese Kritik nicht nachgetragen, sondern im Gegenteil 1804 in Verehrung seines Vorgängers noch sechs Fugen Werners für Streichquartett herausgegeben und ihm damit ein Denkmal gesetzt. Am 3. März 1766 starb Werner nach einem arbeitsreichen Leben. Sein vielseitiges Schaffen umfaßt eine große Zahl von Messen, Motetten und Oratorien sowie Weihnachtsmusiken. Aber auch Instrumentalwerke, von denen vor allem sein 1748 gedruckter Instrumentalkalender bekannt geworden ist, sowie einige weltliche Kantaten belegen seinen Einfallsreichtum und seine meisterliche Kompositionskunst.
Die beiden Werke von Gregor Joseph Werner, die Hirtenkantate „Auf, auf, ihr Hirten allzugleich" (Pastorella de Nativitate Domini) und das kleine, orchesterbegleitete Orgelkonzert (Pastorella) können bisher nicht datiert werden. In ihrer Tonsprache gehören sie bereits in die Rokokozeit oder die Vorklassik. Die Vermutung liegt deswegen nahe, daß beide Werke erst in den 50er odersogar 60er Jahren entstanden sind.Vor allem die Hirtenkantate ist mit ihren melodischen Einfällen und ihrer Schlichtheit ein Werk, das auch dem frühen Haydn alle Ehre gemacht hätte. Bei der Orgelpastorella spürt man unmittelbar die zeitliche, und beinahe auch lokale Nähe (Wien und Eisenstadt liegen ja nicht allzu weit auseinander, außerdem hatte der Fürst Esterházy in Wien ein Palais) zu Haydns eigenem Orgelkonzert aus dem Jahre 1756. Diese beiden hier aufgenommenen feingeschliffenen Kostbarkeiten machen es dem heutigen Hörer schwer, einen tiefgreifenden Unterschied zwischen Werners später und Haydns früher Kunst zu bemerken und die Beurteilung Haydns durch Werner als einen „Modehansl" und „Gsanglmacher" zu begreifen. Aber Werner kommt im Grunde von der alten, streng kontrapunktischen Schule Fuxscher Prägung her, wie seine fast unbekannten Fugenarbeiten beweisen.
Der Text der Hirtenkantate ist im Burgenländischen Dialekt, vielleicht sogar von Werner selbst, abgefaßt. Ernst Fritz Schmid hat ihn behutsam unter Beibehaltung mundartlicher Anklänge ins Hochdeutsche übertragen. Die „Aria pastoritia" ist ein Strophenlied, an dem sich alle drei Solisten, der erste Engel und die beiden Hirten abwechselnd beteiligen. Zu dem abschließenden wuchtigen Choral „Der Tag, der ist so freudenreich" tritt eine Altstimme, ein zweiter Engel, dazu.
Im Orgelkonzert werden die meist kurzatmigen, verspielten Motivketten in den beiden Ecksätzen durch gliedernde Unisonoeinwürfe unterbrochen. Der getragene Larghetto-Mittelsatz schafft den notwendigen ausgewogenen Kontrast in dieser schlichten instrumentalen Weihnachtsmusik für Solo-orgel und Streicher.
Zu den Werkgruppen Haydns, die mehr oder minder vergessen waren und erst in letzter Zeit wiederbelebt wurden, zählen unter anderem auch seine zahlreichen Opern (zwischen 1766 und 1792 entstanden); es mag heute noch vielen unbekannt sein, daß Haydn sehr gern Opern geschrieben hat. Erst neuesten Forschungen ist es gelungen, Umfang, Bedeutung und Größe des esterházyschen Opernbetriebs vor allem seit 1776 bis 1790 nachzuweisen. Welchen Ruf Haydns Opern selbst und die esterházyschen Opernaufführungen gehabt haben, geht nicht nur aus den häufigen Berichten in den Zeitungen und Theateralmanachen der damaligen Zeit hervor, sondern auch aus einem Wort der Kaiserin Maria Theresia anläßlich ihres Besuches in Eisenstadt: „Wenn ich eine gute Oper hören will, gehe ich nach Esterhaz."
Die Opera buffa „Lo Speziale" (Der Apotheker), Haydns zweite italienische Oper und von ihm als „Dramma giocoso" bezeichnet, ist zur Eröffnung des neuerbauten Theatergebäudes in Esterháza am 5. August, dem Namenstag der Fürstin Maria Esterházy aufgeführt und des öfteren wiederholt worden. Auch zwei Aufführungen in Wien im Jahre 1770, darunter eine konzertante, sind belegt. Sehr wahrscheinlich hat Haydn Ausschnitte aus dieser Oper auch in den pflichtgemäßen musikalischen Veranstaltungen im Schloß zu Eisenstadt erklingen lassen. Der Text ist dem gleichnamigen Werke des italienischen Lustspieldichters Carlo Goldoni (1707-1793) entnommen und von einem bisher unbekannten Librettisten bearbeitet worden. Es könnte sein, daß der als „Tenorist" am Hofe des Fürsten Esterházy angestellte Karl Friebert die Umgestaltung des Goldoni-Textes vorgenommen hat. Als Vorwurf für diese komische Oper dient die immer wieder verwendete Darstellung eines Pflegevaters, des Apothekers, der sein Mündel zu heiraten beabsichtigt, während zwei junge Liebhaber in Verkleidungsszenen versuchen, dies zu verhindern und die hübsche Angebetete selbst als Braut heimzuführen. Mengone, der sich als Gehilfe vom alten Apotheker hat dingen lassen, empfiehlt in seiner Tenor-Arie „Per quel che ha mal di stomaco" Rhabarber gegen Bauchschmerzen und Manna gegen Darmverstopfung. Haydn, der gern den verschiedensten Situationen die komische und heitere Seite abgewann, greift zu einem Wortwitz. Zur Unterstreichung, daß die von Mengone angepriesenen Mittel den Stuhlgang wieder regeln würden, läßt Haydn bei dem Wort „anderó" den Sänger und die begleitenden Streicher deutlich demonstrieren, daß der Patient nunmehr keine Not mehr mit dem „- a a a a" habe. Durch ein „NB“ (Notabene), also durch den Hinweis „Paß aufl", im Autograph macht Haydn noch besonders darauf aufmerksam.
Für die Entstehung der Barytontrios ist ein besonderes Ereignis bedeutungsvoll gewesen. Der alternde Gregor Joseph Werner beobachtete mit Neid und Mißgunst den wachsenden Einfluß und Erfolg seines jungen Vicekapellmeisters Haydn. Im Herbst 1765 machte er seinem Ärger in einer Eingabe an den Fürsten Nicolaus Luft. Er beschwerte sich über Haydns angeblich mangelhafte Aufsichtspflicht, seinen ungenügenden Fleiß und über unordentliche Betreuung des Notenmaterials. Fürst Nicolaus gab darauf in einer Instruktion an Haydn unter Punkt 6 folgende Anweisung:
„Endlichen wird ihme Capelmeister Haydn bestermassen anbefohlen Sich selbsten embsiger als bishero auf die Compositionen zu legen, und besonders solche stücke, die man auf der Gamba spiellen mag, und wovon wir noch sehr wenig gesehen haben, zu Componiren um seinen Fleiß sehen zu können.“
Mit den Stücken für die Gambe dürften der damaligen Ausdrucksweise nach die Barytontrios gemeint sein. Haydn nahm sich diese Ermahnungen zu Herzen. In der kurzen Zeitspanne von 5 Jahren entstanden circa 90 Barytontrios, denen dann bis 1775 noch ungefähr weitere 30 folgten. Insgesamt hat Haydn 126 zweifellos echte Barytontrios im Auftrage seines Fürsten geschrieben. Während etwa die ersten vierzig Barytontrios trotz der bereits erreichten konzentrierten und knappen Ausdrucksweise noch von dem Divertimentogeist, also von der musikalischen Unterhaltung getragen werden, macht sich durch die Auseinandersetzung mit dem strengen Stil des Kontrapunkts in Haydns Barytontrios vor 1770 eine wachsende Vertiefung des musikalischen Ausdrucks und eine Verfeinerung der Satzkunst bemerkbar. Unter den „Divertimenti per il Baryton, Viola e Basso" bis Nummer 100 ist das spätestens im Dezember 1771 komponierte Trio Nr. 96 in h-moll eines der schönsten Werke. Der 1. Satz, ein Adagio, bringt ein kontrapunktisch gebundenes, ausdrucksstarkes Hauptthema, das später durch ein gesangliches und aufgelockertes Gegenthema abgelöst wird. Der Anfang des 2. Satzes, des Allegro, hat fast fugenmäßigen Zuschnitt. Das melodiöse „Menuett" mit seinem durch die H-dur Tonart aufgehellten Trio beschließt dieses musikalisch besonders wertvolle Stück.
Haydns Te Deum in C-dur, im 20. Jahrhundert zur Unterscheidung von dem in gleicher Tonart stehenden Frühwerk auch großes Te Deum oder Te Deum für die Kaiserin genannt, lag laut einer von Haydn unterzeichneten Quittung am 28. Oktober 1800 fertig vor. Eine Notiz von Botstiber (im 3. Band der Haydn-Biographie von Pohl) aus einem Brief des ersten Haydn-Biographen Griesinger an Breitkopf  & Härtel, den Botstiber in das Jahr 1800 legt, könnte dazu verleiten anzunehmen, daß dieser mächtige und großartige Lobgesang bereits zwei oder drei Jahre eher entstanden sei. Sehr wahrscheinlich hat aber Botstiber diesen leider im letzten Weltkrieg vernichteten Griesinger-Brief nicht richtig datiert; statt in das Jahr 1800 fällt er vermutlich in das Jahr 1802, in dem der Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel durch seinen Mittelsmann Griesinger mit Haydn wegen der Herausgabe des Te Deum verhandelte. Es darf deshalb mit Recht angenommen werden, daß Haydn dieses wichtige Kirchenmusikwerk zwischen der 4. und 5. großen Messe, der Theresien- und der Schöpfungsmesse im Jahre 1800 komponiert hat und daß es zum Namenstag der Fürstin Maria 'Hermenegild am 8. September 1800 in der Eisenstädter Bergkirche uraufgeführt worden ist. Der Uberlieferung nach soll Haydn dieses Te Deum jedoch für die Kaiserin Marie Therese, die Gattin Kaiser Franz II., komponiert haben.
Dieses glanzvolle, in strahlendem C-dur erklingende Werk zum Ruhme und zur Ehre Gottes spannt den Bogen von wuchtigen Anklängen an den gregorianischen Choral bis zur kunstvollen, jubílierenden Schlußfuge „in te Domine speravi" (auf Dich, o Herr, hab ich gehofft), in der Mitte unterbrochen von einem innigen ausdrucksgeladenen Adagio „Te ergo quaesumus" (Dich also flehen wir an). Als ein besonderer Höhepunkt am Schluß des Te Deum ist das niederdrückende und quälende „confundar" hervorzuheben. Sehr wahrscheinlich hat gerade dieses „confundar" den als Sängerknaben und später als Organisten in St. Florian wirkenden Anton Bruckner so tief beeindruckt, daß dieser große spätromantische Meister in seinem ebenfalls in C-dur stehenden Te Deum zu einer ähnlichen Wiedergabe gegriffen hat.

Das Baryton
Das wenig bekannte und auch zu Haydns Zeiten im allgemeinen selten gespielte Baryton gehört zur Familie der Gambeninstrumente. Als sein Vorläufer darf vermutlich die von Michael Praetorius in seinem „Syntagma musicum" von 1619 erläuterte, mit Resonanzsaiten ausgestattete Viola bastarda angesehen werden. Wann das Barytoninstrument in seiner uns jetzt bekannten Gestalt fertig vorgelegen hat, läßt sich nicht mehr genau feststellen; jedenfalls ist das Baryton 1687 bei Daniel Speer in dieser Weise beschrieben und dann im 18. Jahrhundert noch verschiedene Male in den einschlägigen Lehrbüchern und Nachschlagewerken erwähnt. In den äußeren Maßen stimmt das Baryton etwa mit denen der Tenorgambe überein; es besitzt wie die Viola d'amore Resonanzsaiten, die beim Baryton aber unter dem Griffbrett freiliegend entlanglaufen, so daß sie der Spieler auch mit dem Daumen der linken Hand anzupfen kann. Die Zahl der mitklingenden Resonanzsaiten stand für dieses Instrument nicht ganz fest. Joseph Haydn hat seine Kompositionen stets für ein Barytoninstrument mit nur 9 (gegenüber 15 bis 20 möglichen) metallenen resonierenden Saiten geschrieben, die für gewöhnlich auf D-dur (A, d, e, fis, g, a, h, cis', d') abzustimmen sind. Diese mitschwingenden Saiten geben dem instrument einen weichen und näselnden Ton und lassen das Baryton in Generalpausen - wie in dem hier aufgenommenen Barytontrio 96 - nachklingen. Durch die aufgehellte Klangfarbe des Barytons werden die angestrichenen 6 (bzw. gelegentlich 7) wie bei der Tenorgambe festgelegten Spielsaiten im Vergleich zu ihrer wirklichen Einstimmung eine Oktave höher gehört. Haydn notiert deswegen die Barytonstimme im Violinschiüssel, also eigentlich eine Oktave zu hoch. Seine Kompositionen für das Baryton belegen aber, daß diese Notierung Haydns eigenem Klanghören und obendrein der üblichen Spielpraxis entspricht. Zeitgenössische Berichte, rühmen den schwebenden und lieblichen Klang dieses Instrumentes, und der namhafte Arzt, Musiker und Komponist Friedrich August Weber gesteht, daß ihm der ehemalige esterházysdıe Barytonist Carl Franz in einem Konzert „durch sein Adagio sostenuto Thränen auszupressen wußte, dergleichen vor und nach ihm kein Virtuose" vermocht habe.
Sehr wahrscheinlich wäre es seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts trotz der Rückgewinnung alter, historischer Musikinstrumente nicht zu einer Wiederbelebung des Barytonspiels und der Barytonmusik gekommen, wenn nicht ein Joseph Haydn viele, fast durchweg handschriftlich überlieferte «Kompositionen gerade für dieses instrument hinterlassen hätte. Nach den Angaben im eigenen Werkverzeichnis, das sein Famulus Johann Elßler, der Vater der nachher berühmt gewordenen Tänzerin Fanny Elßler, geschrieben hat, waren es „insgesamt 163 Compositionen für das Pariton". In Wirklichkeit sind es noch einige Werke mehr, die Haydn für seinen seit 1762 regierenden Fürsten Nicolaus komponiert hat, der ein Liebhaber und Kenner des Barytons war. Daß Haydn auf die Spielfähigkeiten und Wünsche des Fürsten Rücksicht zu nehmen hatte, ist neben Andeutungen in Pohls Haydn-Biographie aus einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung der Esterházy-Dokumente eindeutig zu erfahren. Neben den als Barytonisten angestellten Hofmusikern Joseph Welgl d. Ält., Andreas Lidl und Carl Franz hat der Fürst Nicolaus auch selbst sehr oft den Barytonpart, sogar vor fürstlichen Gesellschaften, gespielt. Als dann Haydn ab 1776 für den esterházyschen Hof einen vielseitigen Opernbetrieb aufbaute und leitete, haben an seiner Stelle die esterházyschen Musiker Luigi Tomasini, Joseph Purcksteiner (Burgksteiner), Andreas Lidl und Carl Franz sowie Anton Kraft und P. Primitivus Niemecz Werke für das Baryton komponiert. Vielleicht sind auch die Barytonkompositionen von Neumann, Eybler, Pichl, Hauschka für den Hof des Fürsten Nicolaus Esterházy geschrieben worden.
(Columbia C 91 104)