MUSIK IN ALTEN STÄDTEN UND RESIDENZEN


1 LP -  SMC 91 117 - (p) 1966
1 LP -  1 C 037-45 579 - (p) 1966
1 CD - CDZ 25 2243 2 - (c) 1990
1 CD - 9 28332 2 - (p) & (c) 2013

VENEDIG - Festliche Kirchenmusik in San Marco




Girolamo Fantini (1600-?) 1. L'Imperiale - Oberstimme von Fantini, Modo per imparare a sonare di tromba, Frankfurt 1638 1' 34" A1




Andrea Gabrieli (1510-1586) 2. Ricercare secondo tono - in: ndrea Gabrieli, Ricercari für Orgel 4' 12" A2




Giovanni Gabrieli (1557-1613) 3. Magnificat primi toni - in: Musica sacra, Band 21 6' 20" A3

4. Sonata pian' e forte - aus: Canzoni e sonate a più strumenti cobntenute nelle Sacrae Symphoniae, 1597 4' 30" A4

5. Intonazione d'Organo - in: Torchi, L'Arte musicale in Italia, Band 3 0' 41" A5

6. Quis est iste - Doppelchörige Motette in: Giovanni Gabrieli, Opera omnia Crpus mensurabilis musicae, Reihe 12 5' 05" A6




Girolamo Fantini 7. L'Imperiale - (wie 1) 1' 32" A7




Giovanni Gabrieli 8. Canzon a 10 - aus: Canzoni e sonate a più strumenti cobntenute nelle Sacrae Symphoniae, 1597 3' 56" B1




Girolamo Cavazzoni (um 1525-1560) 9. Christe Redemptor omnium - Hymnus in: Torchi, L'Arte musicale in Italia, Band 3 1' 47" B2

10. Ave Maris Stella - Hymnus in: Girolamo Cavazzoni, Orgelwerk I, 1543 2' 03" B3




Claudio Monteverdi (um 1567-1643) 11. Ave Maris Stella - Doppelchörige Motette aus: Vesperae Beatae Mariae Virginis (Marienvesper) 8' 31" B4




Gioseffo Guami (1540-1611) 12. Canzon - in: Johann Woltz, Nova musices organicae, Tabulatura, 1617 2' 37" B5



 
Rudolf Ewerhart, Orgel (2,5,9,10,12) Valerie Noack, Friedrich Schmidtmann, Blockflöte (3,6,8,11)
Consortium Musicum, (1,3,4,6-8,11) Walter Holy, Robert Bodenröder, Pieter Dolk, Michael Steiner, Naturtrompete (1,7)
RIAS-Kammerchor (3,6,11) Edward H. Tarr, Naturtrompete (1,7), Zink (3,4,6,11)

Günther Arnt, Leitung (3,6,11) Helmut Schmitt, Harry Barteld, Kurt Federowitz, Renaissance-Posaune (3,4,6,11)

Otto Steinkopf, Bass-Dulzian (3,6,11)

Emil Seiler (3,11), Heinz Jopen (4), Viola

Herbert Naumann, Viola da gamba (3,11)

Alfred Lessing, Wolfgang Eggers, Horst Hedler, Heinrich Haferland, Viola da gamba (8)

Heiner Spieker, Viola da gamba (8), Violone (3,6,11)

Emil Morneweg, Kontrabass (4,8)

Michael Schäffer, Renaissance-Laute (6,8,11)

Wolfgang Meyer, Orgel-Positiv (3,6,11)

Annemarie Bohne, Spinett (8)

Ulla Laban, Harfe (8)

Wenzel Pricha, Pauke (1,7)
 






Luogo e data di registrazione
- Marienfeld (Germania) - aprile 1965 (2,5,9,10,12)
- Berlin (Germania) - giugno 1964 (3,6,11)
- Brauweiler (Germania) - febbraio 1963 (8)
- Brühl (Germania) - settembre 1965 (1,7)
- Knechsteden (Germania) - settembre 1964 (4)


Registrazione: live / studio
studio

Producer / Engineer
Gerd Berg / Christfried Bickenbach / Wolfgang Gülich

Prima Edizione LP
Columbia - SMC 91 117 - (1 LP) - durata 43' 12" - (p) 1966 - Analogico

Altre edizioni LP

EMI Electrola - 1 C 037-45 579 - (1 LP) - durata 43' 12" - (p) 1966 - Analogico

Edizioni CD
EMI Electrola - CDZ 25 2243 2 - (1 CD) - durata 43' 12" - (c) 1990 - ADD
EMI Music - 9 28332 2 - (1 CD) - durata 43' 12" - (p) & (c) 2013 - ADD


Cover
-













Kapellmeister an San Marco
Als der Doge Andrea Gritti entgegen den Ansprüchen einheimischer Musiker am 12. Dezember 1527 den berühmten Adrian Willaert (1490-1562) zum Kapellmeister der Markuskirche ernannte, verhalt er Venedig zu einer außergewöhnlichen musikalischen Entwicklung, die unter dem Namen „venezianische Schule“ in die Musikgeschichte eingegangen ist. Der kontrapunktische Stil des aus der Josquin-Schule hervorgegangenen Niederländers wandelte sich in Venedig zu einer harmonisch-malerischen Satzweise, deren Reiz der Klanggegensatz hoher und tiefer Stimmgruppen ausmachte. Die beiden einander gegenüberliegenden Orgelemporen in den Chornisohen der Nebenapsiden von San Marco und ihre Möglichkeit, zwei räumlich getrennte Vokal- oder Instrumentalchöre aufzustellen, sollen Willaert zur Erfindung der doppelchörigen Motette angeregt haben. Dem Schülerkreis, der sich um Willaert in Venedig scharte, gehörte sein Landsmann Cyprian de Rore (1516-1565), Claudio Merulo (1533-1604) und die Venezianer Giuseppe Zarlino (1519-1590) und Andera Gabrieli (1510-1586) an.
Andrea Gabrieli, seit 1564 zweiter Organist und Kapellmeister an San Marco, machte sich den neuen Stil seines Meisters zu eigen und steigerte die doppelchörige Motette zu Klangkombinationen von fünf (Sacrae cantiones 1565) bis zu 16 Stimmen (Cantiones sacrae 1578). Die altertümlichen Kirchentonarten durchsetzte er mit modernem Dur und Moll und ließ erstmalig die Vokalmusik durch Instrumente, Violinen, Gamben, Blockflöten, Zinken und Posaunen unterstützen, die sich später in einem eigenen Orchestersatz verselbständigten. Das Orgelwerk Andrea Gabrielis erschien erst nach seinem Tode, am Ende des 16. Jahrhunderts im Druck. Sein Neffe Giovanni Gabrieli edierte die Canzonen, Intonationen, Toccaten und drei Bände seiner Ricercari, denen das Ricercare secondo tono entnommen ist. Der Unterschied zwischen „Canzone“ und „Ricercar“ macht sich bei Andrea Gabrieli weniger in der Bezeichnung, als im Stil bemerkbar. Das Ricercar kennzeichnet sein Kontrapunkt und lange polyphone Melodielinien. Das häufig zweiteilige Hauptthema erscheint verändert und ungeformt; manchmal trägt der zweite Teil schon den Charakter des Kontrapunktes einer Fuge. Das Ricercar läßt keine Gliederung in einzelne Abschnitte erkennen, seine Phrasen überschneiden sich ohne Caesuren nach Art der traditionellen Polyphonie.
Der künstlerischen Wirkung Andrea Gabrielis entspricht sein weitreichender Ruf als Lehrer. Die Anwendung der Mehrchörigkeit vererbte er seinem deutschen Schüler Hans Leo Haßler (1564-1612), über seinen Neffen Giovanni Gabrieli, den er zu seinem künstlerischen Erben und Nachfolger erzog, vermittelte er die neuen Gattungen und Begriffe (Symphonie sacra) an Heinrich Schütz. Es spricht für seine künstlerische Großzügigkeit und Weitsicht, daß er den Neffen zur Gewinnung neuer Eindrücke zu Orlando di Lasso nach München in die Schule gehen ließ. In einer Vorrede an Jakob Fugger in Augsburg setzte die Dankbarkeit des Neffen dem väterlichen Lehrer ein Denkmal:
„Wäre Andrea Gabrieli nicht mein Oheim gewesen, so dürfte ich ohne Furcht und Tadel behaupten, daß, wie es im Ganzen wenig ausgezeichnete Maler und Bildhauer zugleich gegeben, auch wenig Tonmeister und Orgelspieler gelebt haben, die ihm gleich kämen. Seine Fertigkeit könnte ich loben, seine seltenen Erfindungen, seine neuen Wendungen, seine anmutige Schreibart. Des Ernstes, der Gelehrtheit seiner Gesänge könnte ich gedenken, aber auch ihrer Frische und Lieblichkeit. Ich könnte sagen, daß aus seinen Werken offenkundig hervorgehe, wie er einzig gewesen in Erfindung von Klängen, welche die Kraft der Rede und der Gedanken ausdrücken. Es gefiel Gottes höchstem Ratschluß, ihn im vergangenen Jahre von der Erde in seine himmlische Freude zu versetzen, in reifem, an Jahren hohem Alter, aber zu einer Zeit, wo sein Geist mehr als je lebendig und erfindungsreich in der Tonkunst war. Mehrere Konzerte, Dialoge und andere Tonstücke, für Singstimmen und Instrumente eingerichtet, wie in den Hauptkirchen der Fürsten und in den Akademien der Vornehmen üblich sind, hatte er auf das Fleißigste ausgearbeitet, um Euch, Herr, damit zu beschenken. Euch widme ich diese Früchte seiner Kunst und genüge damit seinem wie meinem Wunsche.“
Der Hauptmeister der „venezianischen Schule“, Giovanni Gabrieli (1557-1613) übernahm nach kurzen Lehrjahren bei Orlando di Lasso als 29jähriger das Amt des ersten Organisten und Kapellmeisters an San Marco, um es bis zu seinem Tod 1613, 27 Jahre lang auszuüben. Seine Persönlichkeit ist durch Briefe, Berichte und Zeugnisse seiner zahlreichen Schüler bekannt. Freundschaft verband ihn mit dem nahezu gleichaltrigen Hans Leo Haßler und seinem Schüler Heinrich Schütz, dem er, allerdings vergeblich, seine Nachfolge an San Marco anbot. Giovanni Gabrielis Ruf genoß seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts europäisches Ansehen. Mit Orlando di Lasso uncl der Kapelle des Herzogs von Bayern hielt er zeitlebens Fühlung, dem Hause Fugger war er - wie die Widmungen vieler Druckwerke zeigen - freundschaftlich verbunden. Giovanni Gabrieli war kein revolutionärer Neuerer der Musik, wie vor ihm Willaert, sondern der Vollender des neuen Stils der „venezianischen Schule“. In der Glanzzeit Venedigs unter dem prachtliebenden Dogen Marino Grimani verhalf er der venezianischen Musik zu einer monumentalen Festllchkeit, wie sie Tintoretto und Veronese in der Malerei verwirklicht hatten. Die doppelchörige Motette vermehrte er um einen dritten, meist instrumentalen Chor, ihre Kontrastwirkung steigerte er zu einer Gegensätzichkeit von zwei bis zu 22 Stimmen (Canzoni e Sonate 1615), die Klangregie der räumlich verschieden aufgestellten Instrumental- und Vokalchöre abwechslungsreichster Besetzungen meisterte er mit Virtuosität, die Ausbildung eines selbständigen Orchestersatzes als Symphonia (Einleitung und Zwischenspiel der Motette) und die Förderung solistisch-konzertanter Kirchenmusik sind seine großen Leistungen.
Das dreichörige Magnificat und die doppelchörige Motette Quis est iste geben Aufschluß über die konzertierende und dialogisierende Kompositionstechnik Giovanni Gabrielis. In abwechslungsreicher, vielfältiger Weise lösen sich die einzelnen Chöre in kurzen Absätzen und häufigen Einwürfen ab, den fortlaufenden Kontrapunkt älteren Stils ersetzt die Wiederholung und Abwandlung des Hauptthemas in verschiedenen Klangfarben. Vokalsoli und Vokalchor sind deutlich voneinander abgesetzt, in den Einleitungs- und Schlußtakten vereinigen sich zumeist alle Chöre zu festlicher Gesamtwirkung.
Giovanni Gabrielis eigenste Schöpfung ist die rein instrumentale Mehrchörigkeit. Verglichen mit der vokalen erscheint sie noch konservativ in den Sacrae Symphoniae 1597. Die Canzon à 10 erfordert durch lebhafte Figuration schon eine gewisse Virtuosität, der Kontrapunkt tritt an Bedeutung hinter einer reichen Ornamentation zurück. Die zweichörige Sonata pian' e forte aus dem Nachlaßdruck von 1615 wurde vor allem dadurch berühmt, daß sie das erste gedruckte Musikwerk mit dynamischen Zeichen ist. Ihr wirkungsvoller Kontrast zwischen einem Streichinstrumentenchor (Violen, Kontrabaß) und einem Bläserchor (Zinken, Posaunen) und ihr feierlicher Klang geben ein eindrucksvolles Beispiel musikalischer Staatsrepräsentation in Venedig.
Die Orgelmusik Giovanni Gabrielis schließt sich eng an das Vorbild seines Onkels an. In den Veröffentlichungen von Orgelkanzonen, Intonationen, Toccaten und Ricercari Andrea Gabrielis edierte Giovanni Gabrieli auch eigene Kompositionen. Seine Intonationi sind kurze, improvisatorische Zwischenspiele zwischen gottesdienstlichen Handlungen, den späteren Praeludien verwandt. Sie bestehen aus einer Akkordfolge, die durch Passagen und Verzierungen verbunden ist, und bildeten das Handwerk des Organisten für die kirchliche Gebrauchsmusik im 16. und 17. Jahrhundert.
Peter Kertz

Claudio Monteverdi
Die ehrenvolle Berufung Claudio Monteverdis 1613 zum ersten Kapellmeister an San Marco brachte eine folgenschwere Entscheidung für den Verlauf seines weiteren Lebens und Werkes mit sich. Hatte ihn - nach Lehrjahren bei Marc' Antonio Ingegneri in Cremona - der prunkvolle Hof der Gonzaga in Mantua zur weltlichen Kunst der Madrigale, Intermedien und Opern angeregt, - L'Orfeo, L'Arianna und Il Ballo delle Ingrate komponierte Monteverdi als „Maestro di Musica“ des Herzogs Vincenco I. Gonzaga, - so erwartete die Republik Venedig von ihm eine Reorganisation ihrer Kirchenmusik im Sinne des überkommenen Erbes. Nach der Unsicherheit seiner Existenz am Hof von Mantua, den politische Krisen und häufige Thronwechsel gefährdeten, bot das reiche Venedig nach dem Tode Giulio Cesare Martinengos, Kapellmeister an San Marco 1609-1613, dem 46iährigen die Position des „Maestro di Capella di
San Marco“ mit einem Jahresgehalt von 300, später 400 Dukaten und freier Wohnung in der „Canonica“ der Markuskirche. Nach eigenen Aussagen entrückte ihn „der Kirchendienst dem Typus der theatralischen Musik“. Sein harmonisches Verhältnis zu den Prokuratoren der Seerepublik trübte nichts, er erzog die Kapelle der Markuskirche zu einem erstklassigen Aufführungsinstrument und bereicherte ihr Repertoire um viele eigene Kompositionen. Der Rückkehr nach Mantua und Kompositionsaufträgen der Gonzaga zeigte sich Monteverdi wenig geneigt, dagegen knüpfte er Beziehungen zum Hof von Parma, wo Margarita von Toscana, die Gattin Odoardo Farneses, seine Gönnerin wurde.
Die Eröffnung des ersten öffentlichen Opernhauses San Cassiano 1637 in Venedig ließ dort das allgemeine Interesse an Monteverdis Opernkompositionen erwachen. Schon 1639 wurde seine Arianna gespielt, und der 75iährige Meister schuf - ähnlich Verdi - im Alter seine reifsten Opern, Il Ritorno d'Ulisse in Patria, Le Nozze di Enea con Lavinia und L'lncoronazione di Poppea für Venedigs Operntheater. Unter dem Eindruck der furchtbaren Pest, die Venedig 1630/31 heimsuchte, war der seit langen Jahren verwitwete Monteverdi in den geistlichen Stand getreten. Er starb nach einem Besuch in Cremona und Mantua am 29. November 1643.
Monteverdis Gesamtwerk umfaßt drei Gattungen: Madrigal, Oper und Kirchenmusik. Reine Instrumentalmusik, Kompositionen für Orgel oder andere Tasteninstrumente sind von ihm ebensowenig erhalten wie von seinem deutschen Zeitgenossen Heinrich Schütz. Mit den Madrigalen, in denen er die musikalische Interpretation des Dichterwortes versuchte, und der Neubewertung des Wortes innerhalb der musik-dramatischen Situation seiner Opern setzte sich Monteverdi in einen ständig wachsenden Gegensatz zur traditionellen Musik, den er mit der Antinomie von Prima Prattica und Secondo Prattica auch theoretisch (Vorrede zum V. Madrigalbuch, 1605) begründete.
Der Zwiespait stilistischer Grundhaltung tritt am deutlichsten in seiner Kirchenmusik zutage, die sich am wenigsten vom Zwang motettischer Polyphonie befreien ließ. Deswegen bedeutete die Komposition der großen Marienvesper 1610 im „stile concitato“ der Mantuaner Opern einen revolutionären Einbruch in liturgische Stiltradition. Die Vespro della beata Vergine ist ein Versuch, die überlieferte Form der polyphonen, auf Psalm und Hymnus beruhenden Motette mit den modernen Mitteln psychologischer Wortdeutung und affektbetonter, dramatischer Musik zu erfüllen. Das Ergebnis war eine Tonschöpfung, die das liturgische Maß weit überstieg, mit einer Vielfalt von musikalischen Formen älteren und neueren Stils und einem selbst für das an Klangpracht gewohnte Jahrhundert ungewöhnlichen Aufwand an Instrumenten. Unter den 14 „Sätzen“ der Vesper befindet sich auch ein Magnificat (in zwei Fassungen), eine große Orchester-Sonata, eine Solo-Monodie (Nigra sum) von geradezu opernhafter Dramatik, und eine doppeichörige Motette Ave Maris Stella. Letztere bedient sich der kirchenmusikalischen Errungenschaften Giovanni Gabrielis, insbesondere seiner Sonata con voce. Mit ihrem reichhaltigen Instrumentarium von Streichern (Viola, Gambe, Violone), Bläsern (Blockflöte, Zink, Posaune), Laute und Orgeipositiv bietet sie ein typisches Beispiel der Gattung, die Giovanni Gabrieli mit seinen Symphoniae sacrae in die venezianische Kirchenmusik einführte.
Peter Kertz

Die Orgel und ihre Meister
Die Markuskirche in Venedig soll nach der Überlieferung schon in den ersten Jahren nach ihrer Erbauung mit Orgeln ausgestattet worden sein. „Unter dem anderen vorzüglichen Schmuck, der allen Völkern der Christenheit sichtbar wird“, heißt es in den amtlichen Regierungsakten 1588, „sind es die Orgeln von San Marco, die wegen ihrer hervorragenden Güte und wegen ihres Alters nicht ihresgleichen finden“. Im Gefolge des großartigen Aufschwungs, den die venezianische Musik in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nahm, wurde den beiden Hauptorgeln um 1588 eine dritte hinzugefügt, weil es für die Konzerte „notwendig und nützlich“ erschien. Außer den beiden Organisten unterhielt die Republik seit 1563 einen eigenen Pfleger für die Orgeln in der Markuskirche.
Die Ämter des ersten, zweiten und seit etwa 1590 dritten Organisten an San Marco waren äußerst begehrt und umworben. Der Nürnberger Komponist Paulus Hainlein, der - wie so viele deutsche Meister in jener Zeit - zum Studium der Musik Venedig besuchte, berichtet, daß „sie selbsten auf ein ander neudisch (neidisch) seindt“ und es gar nicht so leicht sei, von ihnen etwas zu lernen:
"...Seindt auch die Organisten in praeambulirn bißweiln häckel (heikel), dan sie unterzeiten die vornembsten Register... verziehen (wechseln) da man dan scharf genug auffmercken muß, etwas zu (er-)fassen... Obzwar die Organisten hier nit allerdings so künstlich sind, daß ich vor diesem gehört, werde ich doch noch was vom Zuhören lernen können. ist auch das Schlagen nit so gemein alß wie in Teutschland an bäbstlichen Orten, da man in der Wochen keine Orgeln rühren thut, auch die Sonnabend nit, es falle denn ein Fest mit ein, laßt sich auch der beste Organist namens Sig. Gaballi (Cavalli) in S. Marco nit hören, es sey denn der Hertzog dabey, welches doch seiten geschieht..." (Brief Paulus Hainieins vom 1. November 1647).
Zur Zeit, als Giovanni Gabrieli das Amt des ersten Organisten bekleidete, erhielt Gioseffo Guammi am 30. Oktober 1588 die zweite Orgelstelle der Domkirche. Auch Guammi, der vermutlich zwischen 1530 und 1540 in Lucca geboren wurde, gehörte dem Schülerkreis Adrian Willaerts in Venedig an. Zusammen mit seinem Bruder Francesco, der 1568-1580 in der Münchner Hofkapelle als Posaunist tätig war, kam er in den Dienst Herzog Albrechts V. von Bayern. Dort schloß er Freundschaft mit Giovanni Gabrieli, der sich zu dieser Zeit als Schüler Orlando di Lassos in München aufhielt. Für kurze Zeit übte er das Amt des Organisten an der Kathedrale San Marino seiner Heimatstadt Lucca aus, 1585 kam er nach Venedig, zunächst als Musiklehrer des Prinzen Gian Andrea d'Oria, seit 1588 als 2. Organist von San Marco. Drei Jahre später kehrte Gioseffo Guammi wieder als Organist an die Kathedrale von Lucca zurück und blieb dort bis zu seinem Tode 1611.
Gioseffo Guammi war einer der berühmtesten Organisten seiner Zeit, von seinen Kollegen (Zarlino, Banchieri) hoch geachtet. Seine nur mit wenigen Werken erhaltene Orgelmusik steht dem polyrhythmischen Stil Orlando di Lassos nahe und ist auch der virtuosen Kunst Andrea Gabrielis verwandt. 1542 erschien in Venedig ein Orgeltabulaturbuch mit den ersten Kompositionsversuchen Girolamo Cavazzonis. Girolamo Oavazzoni ist der Sohn eines berühmten Vaters, des lange in Venedig und Padua (im Dienste der Kardinäle Francesco Cornaro und Pietro Bembo), später als Domorganist in Chioggia wirkenden Marc'Antonio Cavazzoni da Bologna detto d'Urbino (1490 bis wahrscheinlich 1517). In musikalischer Umgebung wuchs der vermutlich 1525 in Urbino geborene Girolamo auf, begab sich nach der Lehrzeit bei seinem Vater an den Hof von Mantua, wo er noch 1577 als Domorganist des Herzogs bezeichnet wurde. Gegenüber den Werken seines Vaters, der die polyphone Kunst der Orgelkomposition oftmals übersteigerte und sich in Gegensatz zur satztechnischen Zucht der venezianischen Orgelmeister um Willaert setzte, hält sich das erste Buch der Orgelwerke Girolamos streng an den fugierenden Stil drei- bis vierstimmiger Satztechnik. Er widmete es 1542 seinem Brotherrn und Taufpaten, dem Kardinal Bembo:
„Da ich zu meinem großen Glück zum Diener und gehorsamen Sohne Eurer Erlauchtesten und Verehrungswürdigsten Herrschaft nicht gemacht, sondern geboren wurde, als Sohn Eures alten und sehr ergebenen Dieners Marc'Antonio da Bologna detto d'Urbino, dachte ich, sobald ich die ersten Versuche meiner Jugend drucken lassen wollte, daran, sie für Sie drucken zu lassen und sie lhnen zu widmen. Ich hielt es für angebracht, sie unter der Obhut desselben Herren erscheinen zu lassen, der auch mich zur Welt hat kommen sehen... Ich, Niedriger, beinahe noch ein Knabe, wagte meine Augen zu solcher Höhe zu erheben... diese Musik war praktische, gemeine Instrumentalmusik und Dutzendware... Aber da mit mir Ihnen alles gehört, was ich schaffe, schulde ich Ihnen auch die Werke meiner Jugend... Diese meine schlecht geratenen Versuche, die dennoch ihre Wurzeln haben in einer gelobten und fleißig studierten Wissenschaft, habe ich mit viele anderen, besseren, vereinigt... Ich bitte Sie, meinen Vater und mich unter Ihrem gewohnten Schutz zu halten als Ihre ergebensten und treuesten Diener, wie auch wir und unser ganzes Haus die göttliche Weisheit unaufhörlich bitten, Ihnen Schutz und dauerndes Glück nicht zu versagen. Venedig, am 25. November 1542.“
Girolamo Cavazzonis erste Orgelwerke enthalten Ricercari, Canzonen und Hymnen. Die Hymnen Christe Redemptor omnium und Ave Maris Stella geben Aufschluß über die damals übliche Aufführungspraxis der Alternation von Chor und Orgel. Mit kontrapunktischer Strenge bearbeitete Girolamo Cavazzoni die Hymnen für Orgel: über einem cantus firmus im Baß läßt er in Christe Redemptor omnium die Oberstimmen immer reicher bis zu einem majestätischen Schluß hin figurieren, das Ave Maris Stella charakterisiert eine üppige Linienführung und strenge Imitation zweier Themen, deren erstes am Schluß in Sopran und Baß wiederholt wird.
Peter Kertz

L'Imperiale
Der fürstliche Absolutismus bedurfte bei feierlichen Anlässen, Staatsaktionen und zeremoniellen Festen des Trompetenmarschalls zu seiner Repräsentation und Verherrlichung. Das offizielle Erscheinen des Fürsten bei Empfängen, im Theater (Trompeterlogen) kündigten die Trompeter an, sie gaben als Herolde das Geleit zu Kaiserkrönungen und Staatsbesuchen.
Die Zunft der Trompeten- und Posaunenmacher von streng gewahrter Exklusivität wurde im 16. und 17. Jahrhundert geradezu zu einem musikalischen Orden, den geistliche und weltliche Höfe gleichermaßen umwarben. Kein Wunder, daß in Frankfurt, der Stadt der Kaiserkrönungen, 1638 eine Trompetenschule erschien, die außer Übungen (passaggi di lingua) auch verschiedene generalbaßbegleitete Kompositionen (capricci, sonate, balletti) enthielt. Ihr Verfasser, der um 1600 in Spoleto geborene Italiener Girolamo Fantini, besaß außerordentliche technische und künstlerische Fähigkeiten. Die Beispiele aus seiner Trompetenschule Modo per impara a sonare di tromba enthalten alle Zwischentöne (von c” aufwärts), ihr kompositorischer Einfallsreichtum rhythmischer und dynamischer Art (Echowiederholungen), übertrifft die zeitgenössische deutsche Trompetenkunst. Girolamo Fantini war 1630 Oberhoftrompeter des Großherzogs Ferdinand II. Medici von Toscana und begleitete seinen Fürsten auf vielen Reisen in Italien und Deutschland. Während der Wahl Ferdinands III. zum römischen König am 22. Dezember 1636 weilte er in Regensburg, in Rom ist er mehrere Male gewesen. Die Namen vieler deutscher und italienischer Familien auf den Sonaten und Suitensätzen seiner Trompetenschule zeigen ihre große Beliebtheit und weitverbreitete Anerkennung.
Peter Kertz
(EMI Electrola 1 C 037-45 579)