MUSIK IN ALTEN STÄDTEN UND RESIDENZEN


1 LP - C 91 110 - (p) 1962
1 LP - 1C 037-45 575 - (p) 1962

NURNBERG - Die freie Reichsstadt




Johann Erasmus Kindermann (1616-1655) Intrada à cinque stromenti in C und Ritornello in G - aus "Deliciae Studiosorum", III, 1643 Nr. 35 in DTB 21-24
1' 50" A1

Otto Steinkops, Albrecht Renz, Zink | Helmut Schmitt, Alt-Posaune | Harry Berteld, Tenor-Posaune
Kurt Federowitz, Baß-Posaune | Walter Thoene, Spinett



Johann Erasmus Kindermann Murbergisches Quodlibet - aus "Musical. Zeitvertreiber" (1655) in "Corydon" (H. J. Moser) 4' 35" A2

Friedrike Sailer, Sopran | Erwin Wohlfart, Tenor | Hans-Olaf Hudemann, Baß
Hans Köth, Violine | Karl Brehm, Violoncello | Josef Ulsamer, Violone | Willy Spilling, Cembalo


Johann Staden (1581-1634) Couranta - in DTB 8, 2 0' 47" A3

Friedrich Schnidtmann, Sopran-Blockflöte | Fritjof Fest, Diskant-Krummhorn
Otto Steinkopf, Nicolo | Heinrich Göldner, Tenor-Dulcian


Johann Staden Gagliarda - in DTB 8, 2 0' 45" A4

Helga Thoene, Violine | Heinz Jopen, Viola | Emil Seller, Viola | Horst Hedler, Tenor-Gambe

Johann Krieger (1651-1735)
Die Losung ist: Geld! - aus "Neue musikalische Ergötzlichkeit" II. Frankfurt, 1684 0' 44" A5
Theo Altmeyer, Tenor | Alfred Lessing, Violone | Walter Thoene, Spinett


Johann Erasmus Kindermann Ritornello in D - aus "Deliciae Studiosorum" II, 1643, Nr. 8 in DTB 21-24 0' 30" A6

Werner Neuhaus, Helga Thoene, Violine | Otto Steinkopf, Barock-Fagott | Walter Thoene, Spinett

Johann Philipp Krieger (1649-1725) Wer's Jagen recht begreifen will - Lied aus der Oper "Procris" (Weißenfels 1689) 0' 57" A7

Maria Friesenhausen, Sopran | Otto Steinkopf, Barock-Fagott | Walter Thoene, Spinett

Johann Erasmus Kindermann Symphonia in E - aus "Deliciae Studiosorum" II, 1643, Nr. 10 in DTB 21-24 1' 00" A8
Helmut Schmitt, Alt-Posaune | Harry Berteld, Tenor-Posaune | Kurt Federowitz, Baß-Posaune

Johann Philipp Krieger
Freien ist kein Pferdekauf - Lied aus der Oper "Flora" (Weißenfels 1687) 0' 47" A9

Claus Ocker, Baß | Alfred Lessing, Violine | Otto Steinkopf, Barock-Fagott | Walter Thoene, Spinett

Johann Staden (1581-1634) Aufzug - in DTB 8, 2 0' 50" A10

Fritjof Fest, Diskant-Pommer | Albrecht Renz, Zink | Otto Steinkopf, Nicolo | Heinrich Göldner, Tenor-Pommer

Johann Staden Galliarda "Ach Traurigkeit" - in DTB 8, 2 1' 54" A11

RIAS-Kammerchor | Günther Arnt, Leitung | Harry Berteld, Tenor-Posaune | Walther Theone, Spinett


Johann Staden Pavane - in DTB 8, 2 1' 17" A12

Helga Thoene, Violine | Heinz Jopen, Emil Seller, Viola | Horst Hedler, Tenor-Gambe

Johann Staden Gaudium mundi vanum - in DTB 8, 1 2' 10" A13
RIAS-Kammerchor | Günther Arnt, Leitung | Alfred Lessing, Violone | Gerhard Kastner, Positiv


Johann Krieger Partita in d - aus "Sechs musicalische Partien, 1697 in DTB XVIII
9' 25" A14

Walter Thoene, Cembalo

Johann Pachelbel (1653-1706)
Toccata in C
2' 30" B1

Rudolf Zartner and der Orgel (1770/78) zu Piech, Oberfranken

Johann Erasmus Kindermann Kantate "Wachet auf, ruft uns die Stimme" - in DTB 13 5' 33" B2

Windsbacher Knabenchor | Hans Thamm, Leitung
Werner Neuhaus, Helga Thoene, Matthias Nakaten, Rolf Maschke, Ruth Nielen-Wagner, Violine | Horst Hedler, Violoncello
Alfred Lessing, Violone | Otto Steinkopf, Barock-Fagott | Helmut Schmitt, Baß-Posaune | Rudolf Zartner, Positiv


Johann Erasmus Kindermann Ach Herr, wie lange haben wir gebeten um den Frieden hier - in DTB 21-24 2' 15" B3

Emmy Lisken, Alt | Werner Neuhaus, Helga Thoene, Violine | Alfred Lessing, Violone | Gerhard Kastner, Positiv

Johann Staden Motette "Beati omnes qui timent Dominum" (a capella) - in DTB VII/1
3' 50" B4

Windsbacher Knabenchor | Hans Thamm, Leitung

Johann erasmus Kindermann
Nun so singen wir mit Schalle - in DTB 21-24 1' 25" B5

Maria Friesenhausen, sopran | Werner Neuhaus, Helga Thoene, Violine | Alfred Lessing, Violone | Gerhard Kastner, Positiv


Johann Pachelbel Choralvorspiel "Allein Gott in der Höh sei Ehr" - in DTB IV/1 2' 40" B6

Rudolf Zartner an der Orgel (1770/78) zu Piech, Oberfranken

Georg Kaspar Wecker (1632-1695) Allein Gott in der Höh sei Ehr - Kantate für Soli, Chor, Bläser, Streicher und Continuo - in DTB 6, 1 8' 00" B7

Windsbacher Knabenchor | Hans Thamm, Leitung
Werner Neuhaus, Helga Thoene, Matthias Nakaten, Rolf Maschke, Ruth Nielsen-Wagner, Violine | Horst Hedler, Violoncello
Alfred Lessing, Violone | Otto Steinkopf, Barock-Fagott | Helmut Schmitt, Baß-Posuane | Rudolf Zartner, Positiv





 
Interpreters (see above).

 






Luogo e data di registrazione
-

Registrazione: live / studio
studio

Producer / Engineer
Fritz Ganss / Gerd Berg / Christfried Bickenbach / Horst Lindner

Prima Edizione LP
Columbia - C 91 110 - (1 LP) - durata 53' 44" - (p) 1962 - Analogico

Altre edizioni LP

EMI Electrola - 1C 037-45 575 - LC 0233 - (1 LP) - durata 53' 44" - (p) 1962 - Analogico

Edizioni CD
-

Cover
Nürnberg, Stich v. Merian 1651












Alte Nürnberger Meister und ihre Werke
Das Nürnbergerische findet sich bei Johann Erasmus Kindermann (1616-1655) besonders ausgeprägt: der ernsthafte Realismus, die energische Lebensauffassung, die natürliche Gemütsart, die ungekünstelte Frömmigkeit und die Freude am derben Spaß. Kindermann begann und beschloß sein kurzes Leben in Nürnberg, wo er Stadens Schüler gewesen war, bevor er sich, dem Zeitgeist huldigend, zu Studien nach Venedig begab, dann 1636 Organist der Frauenkirche und 1640 Organist bei St. Ägidius wurde. Seine Lebenszeit umfaßte ungefähr die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. - Kindermanns populärstes Werk - es erlebte mehrere Neuauflagen - waren die Deliciae Studiosorum von allerhand Symphonien, Arien, Sonaten . . . auff Blasinstrumenten; daneben entstanden Orgelwerke und geistliche Kantaten. Die „Studentenfreuden“, das Erfolgswerk eines jungen, hochgeschätzten Komponisten, sind herzhafte, kernige Spielmusik: die von fünf Blechbläsern (mit Basso continuo) in strahlendem C-dur angestimmte Intrada, deren Hauptsatz reichsstädtisches Pathos zur Schau trägt und deren Ritornell an fränkischen Volksweisen orientiert zu sein scheint, wie auch die Ritornelle und kurzen Symphonien, deren lapidare, frische Harmonik und Stimmführung dem jugendlichen Meister alle Ehre machen. - Ins Herz blickt man Kindermann bei den Kirchenkompositionen und bei den Vokalsätzen, die den Frieden preisen; ein tiefreligiöses Kind des Dreißigjährigen Krieges spricht seine Sehnsucht nach Frieden und Ordnung aus, ähnlich vvie die zeitgenössischen Lyriker des Barocks. Der Choral Wachet auf, ruft uns die Stimme beschäftigte mit seiner Verkündigung des Glanzes der Stadt Jerusalem auch Kindermann, so wie er später Bach und Reger inspirierte; in ihrem unverschnörkelten Ernst, ihrer herben Harmonik und ihrer realistischen Prägnanz gibt seine Kantate ein musikalisches Gegenstück zur wortgewaltigen und eindringlichen Barockdichtung eines Gryphius, Opitz oder Grimmelshausen. Die fränkische Freude am handfesten, mundartlich eingefärbten Spaß bricht sich in dem Nürnbergischen Quodlibet Bahn, das dem Musicalischen Zeitvertreiber entnommen ist. Das Gesellschaftslied. das seine Anfänge im italienischen Scherzlied hatte, wurde surch Kindermann von den verqueren Klang- und Silbenspielereien befreit und zu einem derben, pausbäckigen Naturalismus hingeführt. Der ausgeprägte Wirklichkeitssinn des Franken zeichnete klangmalerisch allerhand Volkstypen. In dieser handfesten Form blieb das Quodlibet bis zu Mozarts Tagen im Schwange.
Johann Staden (1581-1634) begann und beschloß sein Leben gleichfalls in Nürnberg. Nach kurzen Jahren als fürstlich brandenburgischer Hoforganist in Bayreuth machte er sich 1610 in seiner Vaterstadt ansässig und gelangte als Organist des Heilig-Geist-Spitals sowie der Lorenz- und Sebalduskirche zu hohem Ansehen. In Staden manifestiert sich die Übergangszeit in der Mischung von konzertierendem (geistliches Konzert mit Basso continuo) und motettischem Stil sowie von Kirchentönen und Dur-Moll-Harmonik. Seine kurzen Tanzsätze, die Couranten, Gagliarden und Pavanen, wurden wohl von den Stadtpfeitern zu suitenähnlichen Folgen aneinander gruppiert. Bemerkenswert ist, daß Staden eine Klagemelodie Ach Traurigkeit im raschen Zeitmaß der Gagliarda singen läßt. Seine Chorsatze verraten italienischen Einfluß. Die Motette Beati omnes qui timent Dominum ist eine lateinisch eingekleidete Bitte um den Frieden, wie sie den Leidtragenden des großen Krieges aus leiderfülltem Herzen kommen mußte. Verwiesen sei noch auf Stadens Sohn Siegmund Theophilus, von dem die älteste erhaltene deutsche Oper stammt, das „geistliche Waldgedicht oder Freudenspiel“ mit dem romantisierenden Titel Seelewig.
Johann Philipp Krieger (1649-1725) war ein gebürtiger Nürnberger, hielt sich aber nach Studienjahren in Kopenhagen und einer kurzen Organistenzeit in Bayreuth vornehmlich in Mitteldeutschland auf, pendelte - einer der frühesten Reisedirigenten der Operngeschichte - zwischen den Operntheatern Sachsens und Norddeutschlands, wurde von Kaiser Leopold in Wien geadelt und starb als Hofkapellmeister in Weißenfels. Sein Schaffen umfaßt etwa 50 Opern und Singspiele, Kirchenmusik, die Ariensammlung Musikalischer Seelenfriede und die Lustige Feldmusik. Die von italienischen Koloraturen durchzogenen, in der Grundhaltung liedhaft-einfachen Opernnummern aus Procris und Flora lassen ihn als einen Lortzing des Barocks erscheinen.
Die Familie Krieger war weitverzweigt. Johann Krieger (1651-1735). der Bruder Johann Philipps, war Musikdirektor in Zittau und machte sich vornehmlich durch Clavierwerke und als Kontrapunktiker einen Namenm Händel hielt ihn für einen der besten Organisten seiner Zeit. In der Neuen musikalischen Ergötzlichkeit bewegt sich Johann Krieger ganz auf der Linie des Liedstils seines Bruders. Die Söhne der Brüder Krieger festigten die Musikerdynastie; ein Sohn Johann Philipps wurde sogar in Weißenfels der Amtsnachfolger seines Vaters.
Johann Pachelbel (1653-1706) war das Haupt der thüringisch-fränkischen Orgelschule als Organist in Erfurt und später an der Nürnberger Sebalduskirche. Seine Hauptleistung: Verschmelzung der süddeutsch-italienischen und der mitteldeutschen Stilformen unter Wahrung der „Cantabilität“ der Stimmführung und der harmonischen Einfachheit. Er war ein richtungweisender Orgeltechniker, entwickelte die Kunst der Mensurvariation und machte Choralbearbeitung und Choralfuge zum Hauptbestandteil seines Schaffen. Pachelbel kam in Nürnberg zur Welt, aber seine Familie stammte aus Eger. In Altdorf, der ehemals traditionsreichen Universitätsstadt in der Nähe von Nürnberg, ging er zur Schule. In Eisenach befreundete er sich mit Johann Sebastian Bachs Vater. Er hatte Söhne, die tüchtige Komponisten und Instrumentalisten waren. Ein Pachelbel-Sohn wirkte in Boston und New York. - Musikgeschichtlich ist Johann Pachelbel wohl der gewichtigste unter den komponierenden Söhnen der alten Reichsstadt. Seine Kunst des Choralvorspiels und der Choralfuge beeinflußte Bach, seine Spieltechnik wurde für viele zeitgenössische Organisten zum Vorbild. Pachelbel führte den Ruf Nürnbergs als Stadt bedeutender Orgelmeister auf den Höhepunkt. Die Sebalduskirche, an deren Orgel er saß, war um 1700 ein kirchenmusikalisches Zentrum Deutschlands, gleichwertig den norddeutschen Städten, in denen die barocke Orgelkunst zu hoher Blüte gedieh.
Georg Kaspar Wecker (1632-1695) war der Lehrer Pachelbels gewesen; auch die Brüder Krieger gehörten zu Weckers Schülern. Er selbst hatte bei dem frühvollendeten Johann Erasmus Kindermann studiert, so daß er als verbindendes Glied zwischen den noch von der Renaissance beeindruckten Komponisten und den Nürnberger Barockmeistern zu denken ist. Wecker kam in Nürnberg zur Welt und starb auch dort. Er wurde 1655 Organist bei St. Ägidius und 1686 bei St. Sebaldus. An der Sebaldusorgel war er der Vorgänger Paohelbels. Seine geistliche Kantate Allein Gott in der Höh sei Ehr eweist ihn als Meister, der auf der Höhe einer Zeit stand. Pachelbels  Vorspiel über den gleichen Choral sei der Kantate vorangestellt, um den Generationsunterschied in der Behandlung des nämlichen thematischen Materials darzutun.
Karl Schumann

Die Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher

Der barocke Orchesterklang hat bis heute nichts von seinen Reizen, seinem bezwingenden Glanz, seiner überwältigenden Leuchtkraft verloren. Dies ist dem Genius einer großen, ungewöhnlich reichen Musikepoche zu danken, sicher, aber nicht ihm ganz allein. Das etwa, was mit königlicher Kraft die ganze Weite und Tiefe barocker Instrumentalpracht überstrahlt: das Funkeln der hohen Trompetentöne - es hat im Grunde den Handwerksfleiß des alten Nürnberg zum Urheber. Denn ohne die Kunstfertigkeit der Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher hätten weder Bach noch Händel dem barocken Orchester jene Krönung geben können, die mit dem Namen der legendären Clarintrompete verknüpft ist. Von hier, aus der alten Reichsstadt, kamen nämlich zu jener Zeit die meisten und besten dieser so wahrlich „hohen“ Ansprüchen gewachsenen Instrumente. Hier wuchs, entwickelte sich und verwelkte im Verlauf von fast drei Jahrhunderten eine instrumentenbauliche Tradition, die - begünstigt durch ein seltenes Zusammentreffen von künstlerischer, handwerklicher und handelsgewerblicher Blütezeit in dieser Stadt - an Berühmtheit in Deutschland nicht ihresgleichen hatte.
Für eine entscheidende Zeit wurde in den Altstadtgassen unterhalb der Burg den Blechblasinstrumenten mit dem Signum „Macht in Nürnberg“ auch der entwicklungs-bestimmende Stempel aufgedrückt, und es ist fraglich, ob ohne die Meisterschaft des Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher-Handwerks unser heutiges Instrumentarium nicht anders aussähe. Nach einer Periode instrumentaler Columbus-Taten brachte dieses Nürnberger Handwerk - in eifersüchtig gewahrter Zunft-Exklusivität einer weiteren Entwicklung alles andere als förderlich - die vor oder während seiner Blütezeit entdeckten neuen Blasinstrument-formen zu einer Vollkommenheit, die ihnen lange, ja teilweise bis heute die Unantastbarkeit des Endgültigen gab.
Schon im 15. Jahrhundert verhalf die handwerkliche Kunstfertigkeit dieser Instrumentenmacher der genialen, damals brandneuen Erfindung des Posaunenzugs zu einer Lebenskraft, die Nürnberg geradezu zur Geburtsstätte der deutschen Zugposaune werden ließ. Das damals unerreichte Können der Nürnberger Meister beim Herstellen völlig gleichmäßiger Rohrstücke, ohne die keine zufriedenstellende Funktionsfähigkeit des Zugmechanismus zu erreichen war, ließ die Posaune nicht nur eine alle Jahrhunderte und Stile fast unverändert überdauernde Beliebtheit gewinnen, es setzte die Nürnberger auch instand, als erste und wohl einzige in Deutschland der berühmten Quart- und Quintposaune, dem tiefsten Baß-Fundament des nach der damaligen Besetzungspraxis üblichen Posaunen-Chors, eine prächtige, dabei spielbare Form zu geben (im Nürnberger Germanischen Nationalmusium ist heute noch eines dieser mächtigen Instrumente mit zwei Zügen und Zug-Handhaben erhalten: es mißt 145 cm, voll ausgezogen sogar über 2 Meter).
Trotzdem verdanken die Nürnberger Meister ihre Sonderstellung im Instrumentenbau nicht der Posaune, auch nicht dem von ihnen schon Ende des 17. Jahr-
hunderts als engmensuriertes, tiefgestimmtes „Clarin“-Instrument gebauten Waldhorn, sondern sie kam ihnen durch jenes Instrument zu, das noch bis ins 17. Jahrhundert hinein das Abzeichen eines quasi musikalischen Ordens, des von Johann Ernst Altenburg so stolz beschriebenen „heroischen Trompeter- und Paukerzunft“- Kults war. Der Glanz des Außerordentlichen blieb davon der Trompete, auch als sie ins barokke Orchester aufgenommen wurde und dort - wie es ihr zukam - die strahlende Spitzenstellung erhielt. Die Nürnberger Handwerkskunstler aber kamen zu europäischer Berühmtheit, weil sie beides mit gleicher Vollendung konnten: den vor allem nach dern Dreißigjährigen Krieg unzähligen Hot- und Feldtrompetern der großen und kleinen Fürstentümer die silberglänzenden Prunk- und Signalinstrumente liefern und den virtuosen Clarinbläsern der Bach-Zeit mit einer engmensurierten, ganz locker und (für die Haltbarkeit) fast gefährlich dünnwandigen Naturtrornpete ein Instrument in die Hand geben, mit dessen leichter Ansprechbarkeit die heute noch halsbrecherisch wirkenden Trompeten-Koloraturen Bachs sehr wohl bewältigt werden konnten.
Kein Wunder, daß vor allem im 16. und 17. Jahrhundert die Nürnhorger Trompeten- und Posaunenmacher - die in oft vielen Generationen langer Familientradition das Handwerk pflegten und von denen über 60 urkundlich nachweisbar sind - bei Kaiser und König, Kurfürsten und Erzbischöfen angesehen waren, ja sogar an kaiserliche und fürstliche Höfe berufen wurden. Kein Wunder, daß die von eigenen Trompeten- und Posaunen-„Stechern“ aufs reichste geschmückten Instrumente ihren Schöpfern Wohlhabenheit, ja Reichtum einbrachten. Verständlich auch, daß man sich bald genug vom beispielhaft, aber auch unnachsichtig auf gedeihliche Gewerbe-Entwicklung bedachten Nürnberger Rat eine strenge Handwerks-Ordnung erbat (1625), durch die - ein einmaliger Fall in Deutschlands musikalischem Kunsthandwerk! - nicht nur eine immense Lehr- und Gesellenzeit von 12 Jahren vorgeschrieben wurde, sondern auch jede unerwünschte Vergrößerung der Meisterzahl verhindert werden konnte.
An dieser Exklusivität ist das Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher-Handwerk dann gegen Ende des 18. Jahrhunderts gescheitert. Seiner wirtschaftlichen Grundlage wurde es mit dem Ende der Barockzeit beraubt: die Trompete und ebenso das Waldhorn kamen in den Geruch von verbesserungsbedürftigen Instrumenten, da sie mit der einsetzenden Klassik in der Orchesterpraxis aus der Clarin-Höhe in die Tutti-Mittellage herabgeholt wurden und hier nur wenige Naturtöne vorweisen konnten; auch die Posaune wurde für mindestens ein halbes Jahrhundert zum Schattendasein verdammt. An der weiteren Entwicklung der Blasinstrumente, die schließlich in der Erfindung der Ventile gipfelte, wollten und konnten die Nürnberger Meister - auf das hochwertige Naturinstrument eingeschworen - nicht teilhaben. So ging Nürnbergs berühmtes Instrumentenmacher-Handwerk letzten Endes an seinem eigenen, zäh am Alten festhaltenden Wesen zugrunde - am Wesen jeder großen handwerklichen Tradition.
Heute sollte man den Weg zu den alten Nürnberger Trompetenmachern wieder zurückgehen, und man tut es auch schon hier und da; wie etwa Bach seine glänzendsten Orchesterwerke gehört hat, davon kann kaum die in der Gegenwart neu konstruierte „Bach-Trompete“, sondern das eine ganze Oktave tiefer gestimmte und viel klanglebendigere Clarininstrument der Nürnberger Meister den rechten Begriff geben. Diese noch in erfreulicher Anzahl erhaltenen Nürnberger Trompeten tragen authentisch die Klangvorstellung einer großen musikalischen Zeit in sich - einer Zeit, der sie die strahlendsten Töne gaben.
Willi Wörthmüller
(EMI Electrola 1 C 037-45 575)