MUSIK IN ALTEN STÄDTEN UND RESIDENZEN


1 LP - C 91 107 - (p) 1962
1 LP - 1 C 037-46 523 - (p) 1962

INNSBRUCK - Die Hofkapelle Maximilians I.




Heinrich Isaac (vor 1450-1517) Innsbruck, ich muß dich lassen - (Fassung II) in DTÖ XIV/1, herausgegeben von Johannes Wolf, Wien 1919
0' 58" A1

Alfred Lessing, Diskant-Gambe | Gerhard Naumann, Alt-Gambe | Heinrich Haferland und Horst Hedler, Tenor-Gambe


Heinrich Isaac Mein Freud allein - (Fassung II) in DTÖ XIV/1, herausgegeben von Johannes Wolf, Wien 1919 3' 07" A2

Fritz Wunderlich, Tenor


Gerhard Naumann, Alt-Gambe | Frtjof Fest, Nicolo | Otto Steinkopf, Baß-Dulcian | Gerhard Kastner, Tenor-Blockflöte | Gerhard Tucholski, Renaissance-Laute

Hans Judenkünig (um 1450-1526) Zucht, Ehr und Lob - in DTÖ XVIII/2, herausgegeben von A. Koczirz, Wien 1919 1' 52" A3

Eugen Müller-Dombois, Renaissance-Laute

Paul Hofhaimer (1459-1537) Zucht, Ehr und Lob - aus Georg Forsters "Frische teutche Liedlein" 1. Teil, Nürnberg 1539-56 1' 50" A4

Jeanne Deroubaix, Mezzosopran | Theo Altmeyer und Dietrich Lorenz, Tenor | Claus Ocker, Baß | Gerhard Kastner, Regal

Paul Hofhaimer a) Nach Willen dein - aus Georg Forsters "Frische teutche Liedlein" 1. Teil, Nürnberg 1539-56 1' 20" A5
Theo Altmeyer, Tenor | Alfred Lessing, Diskant-Gambe | Gerhard Naumann, Alt-Gambe | Horst Hedler, Tenor-Gambe



Eugen Müller-Dombois und Michael Schäffer, Renaissance-Laute

Paul Hofhaimer b) Nach Willen dein - aus "Kotters Tabulaturbuch"


Johannes Brenneke, an der histor. Orgel der Jakobi-Kirche zu Lübeck


Paul Hofhaimer Meins Traurens ist Ursach - aus Georg Forsters "Frische teutche Liedlein" 1. Teil, Nürnberg 1539-56 1' 41" A6

Der RIAS-Kammerchor | Helmut schmitt, alt-Posaune | Harry Barteld, Tenor-Posaune | Kurt Federowitz, Baß-Posaune | Günther Arndt, Leitung


Ludwig Senfl (um 1490-1543) Mag ich Englück nit widerstahn - aus Georg Forsters "Frische teutche Liedlein" 1. Teil, Nürnberg 1539-56 1' 40" A7
Der RIAS-Kammerchor | Fritjof Fest, Diskant-Pommer | Otto Steinkopf, Alt-Pommer | Heinrich Göldner, Tenor-Pommer


Gerhard Tuchtenhagen, Baß-Pommer | Günther Arndt, Leitung

Heinrich Isaac All mein Mut - in DTÖ XVIII/2, herausgegeben von A. Koczirz, Wien 1919 2' 15" A8

Theo Altmeyer, Tenor | Alfred Lessing, Alt-Gambe | Horst Hedler, Tenor-Gambe


Heinrich Isaac Süßer Vater, Herre Gott - in DTÖ XIV/1, herausgegeben von A. Koczirz, Wien 1919 1' 10" A9

Johannes Brenneke, an der histor. Orgel der Jakobi-Kirche zu Lübeck 

Heinrich Isaac Innsbruck, ich muß dich lassen - (Fassung I) 2. und 3. Vers - in DTÖ XIV/1, herausgegeben von A. Koczirz, Wien 1919 1' 25" A10

Theo Altmeyer, Tenor | Claus Ocker, Baß | Otto Steinkopf, Nicolo | Alfred Lessing, Diskant-Gambe | Horst Hedler, Tenor-Gambe


Ludwig Senfl Pacientiam muß ich han - aus Georg Forsters "Frische teutche Liedlein" 1. Teil, Nürnberg 1539-56 1' 00" A11

Fritjof Fest, Diskant-Pommer | Helmut Schmitt, Alt-Pommer | Otto Steinkopf, Tenor-Pommer | Kurt Federowitz, Baß-Pommer

Heinrich Isaac Motette "Illumina oculos meos" - in A. W. Ambros "Geschichte der Musik" V, Leipzig 1882 7' 46" A12

Die Männerchor des RIAS-Kammerchors | Helmut Schnitt, Alt-Posaune | Harry Barteld, Tenor-Posaune | Kurt Federowitz, Baß-Posaune

Heinrich Isaac Innsbruck, ich muß dich lassen - in DTÖ XIV/1, herausgegeben von Johannes Wolf, Wien 1919 1' 22" B1

Eugen Müller-Dombois, Renaissance-Laute


Josquin Despres (um 1450-1521)
Adieu mes amours - in "Codex membranaico, O. V. 208. S. 106 der Casanatenensis in Rom"
1' 48" B2

Theo Altmeyer, Tenor | Claus Ocker, Baß | Alfres Lessing, Diskant-Gambe | Gerhard Naumann, Alt-Gambe

Josquin Despres Plus nulz regretz - in "Werken van Josquin de Près", Wewldlijke Werken, Deel 1; herausgegeben von A. Smijers, Amsterdam 1925 2' 39" B3

Jeanne Deroubaix, Mezzosopran | alfred Lessing, Alt-Gambe | Heinrich Göldner, Tenor-Dulcian | Horst Hedler, Tenor-Gambe


Leonhard Kleber (um 1490-1556) Preambulum in Sol b-moll - aus "Klebers Tabulaturbuch", vgl. G. Adler "Das Handbuch der Musikgeschichte", Berlin 1930 2' 25" B4

Johannes Brenneke, an der histor. Orgel der Jakobi-Kirche zu Lübeck

Josquin Despres J'ai bien cause (a cappella) - in "Werken van Josquin de Près", Wewldlijke Werken, Deel 1; herausgegeben von A. Smijers, Amsterdam 1925 3' 20" B5

Der RIAS-Kammerchor | Günther Arndt, Leitung


Heinrich Isaac Questo mostrarsi adirata di fore - in DTÖ XIV/1, herausgegeben von Johannes Wolf, Wien 1919 1' 21" B6

Maria Friesenhausen, Sopran | Eugen Müller-Dombois und Michael Schäffer, Renaissance-Laute


Hans Judenkünig (um 1450-1526) Rossina ain welscher Dantz - Ain niederlandisch runden Dantz - in DTÖ XVIII/2, herausgegeben von A. Koczirz, Wien 1919 2' 28" B7

Eugen Müller-Dombois, Renaissance-Laute

Wolfgang Grefinger (geb. um 1480) Wohl kömmt der Mai (a cappella) - aus Georg Forsters "Frische teutche Liedlein" 1. Teil, Nürnberg 1539-56 1' 20" B8

Der RIAS-Kammerchor | Günther Arndt, Leitung

Ludwig Senfl Mag ich, Herzlieb, erwerben ich (a cappella) - aus Georg Forsters "Frische teutche Liedlein" 1. Teil, Nürnberg 1539-56 1' 00" B9

Der RIAS-Kammerchor | Günther Arndt, Leitung

Heinrich Isaac Sempre giro piangendo - in DTÖ XIV/1, herausgegeben von Johannes Wolf, Wien 1919 1' 38" B10
Friedrich Schmidtmann, Sopran-Blockflöte | Eugen Müller-Dombois und Michael Schäffer, Renaissance-Laute

Heinrich Finck (1445-1527) O schönes Weib - aus "Schöne und auserlesene Lieder des hoch berümpten Heinrici Finckens", Nürnberg 1536 1' 50" B11
Fritz Wunderlich, Tenor | Gerhard Tucholski, Renaissance-Laute | Gerhard Kastner, Tenor-Blockflöte | Gerhard Naumann, alte-Gambe | Otto Steinkopf, Baß-Dulcian


Johannes Kotter (um 1485-1541) Proömium in re - aus "Kotters Tabulaturbuch"
0' 50" B12

Johannes Brenneke, an der histor. Orgel der Jakobi-Kirche zu Lübeck

Ludwig Senfl Mein Fleiß und Müh - aus Georg Forsters "Frische teutche Liedlein" 1. Teil, Nürnberg 1539-56 1' 37" B13

Maria Friesenhausen, Sopran | Theo Altmeyer und Dietrich Lorenz, Tenor | Claus Ocker, Baß | Gerhard Kastner, Regal


Paul Hofhaimer In Gottes Namen fahren wie - vgl. H. J. Moser "Paul Hofhaimer, ein Lied- und Orgelmeister des deutschen Humanismus", 1929 1' 49" B14

Fritjof Fest, Sopran-Krummhorn | Otto Steinkopf, Nicolo | Heinrich Göldner, Tenor-Pommer | Gerhard Kastner, Baß-Krummhorn


Heinrich Isaac Innsbruck, ich muß dich lassen - (Fassung II) a cappella in DTÖ XIV/1, herausgegeben von Johannes Wolf, Wien 1919 1' 10" B15

Der RIAS-Kammerchor | Günther Arndt, Leitung





 
Interpreters (see above).

 






Luogo e data di registrazione
-

Registrazione: live / studio
studio

Producer / Engineer
Fritz Ganss / Gerd Berg / Christfried Bickenbach / Horst Lindner

Prima Edizione LP
Columbia - C 91 107 - (1 LP) - durata 52' 41" - (p) 1962 - Analogico

Altre edizioni LP

EMI Electrola - 1 C 037-46 523 - (1 LP) - durata 52' 41" - (p) 1962 - Analogico

Edizioni CD
-

Cover
Ansicht von Innsbruck (um 1495) von Albrecht Dürer












Kaiser Maximilians Residenz am Inn
Keine Gestalt in der wechselvollen Reihe der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ist so umstritten wie die des ersten Maximilian. Er trug ein wundertliches Erbe. Sein Vater, Kaiser Friedrich III., war der erfolgloseste Träger dieser Krone gewesen, ein Mann jedoch, der sich mit fanatischem Glauben an die magischen Buchstaben AEIOU - Alles Erdreich ist Österreich untertan - klammerte und als erster von einem neuen Großreich, dem habsburgischen, träumte, nachdem das heilige römische wegen der Fürsten Egoismus und Selbstsucht nicht mehr zu retten war. Die Mutter Eleonore, eine portugiesische Königstochter, schwärmte von einem anderen Ideal, dem König Artus, einem Màrchenprinzen und ritterlichen Helden. Der polnische Fürst, der ihm den Namen Maximilian gab, erhoffte den Retter vor dem Ansturm des Halbmonds im Osten. Und Maximilian war von alledem etwas. Adelige und höfische Sitten, Turnier und Mummerıschanz kennzeichnen den „letzten Ritter".
Sie waren aber nur Mittel zum Ziele, das jenseits aller höfischen Töndeleí den andern Maximilian deutlich werden läßt, den Mann, der für alle neuen Ideen seiner stürmischen Zeit aufgeschlossen war und nicht selten sich zu ihrem Schrittmacher erhob. Alles, was die Grenzen landschaftlicher, mittelalterlicher Enge sprengen wollte, unterstützte Maximilian; sein Ziel war das habsburgische Imperium, ein Weltreich, das über die alten Grenzen hinweg zu einer neuen Einheit führen sollte. Vieles und Unmögliches hat Maximilian versucht; seine Kräfte schienen sich zu zersplittern. Aber hinter aller Planlosigkeit stand doch jenes habsburgische Imperium, das, durch Heirat und Feldschlachten vorangetrieben, bei seinem Tode Gestalt angenommen hatte. Wenn je eine Prophezeiung in Erfüllung ging, dann war es jene, die die Astrologen bei der Geburt Maximilians verkündet hatten: „Ein reiches, ein freudiges und hochgemutes Leben, viel Kampf und Mühen, hohe Pläne und leichtfertlges Hoffen, viel Enttäuschungen, aber auch ein volles Maß bleibender Erfolge."
Maximilians unstetes Wanderleben durch ein neues, im Werden begriffenes Reich kannte nur zwei Plätze, die Heimat und Halt bedeuteten: Augsburg und Innsbruck. Das goldene Augsburg war die Bühne, die dem Kaiser bei den Reichstagen und Empfängen die große Welt erschloß; nadı Augsburg kam er immer, wenn er der Welt einen Triumph vermelden konnte - oder wenn er von Jakob Fugger Geld brauchte. Doch Innsbruch war die Residenz nach seinem Herzen. Sie suchte er, wenn eine Aktion verloren oder das Söldnerheer ihm entlaufen war. Augsburg war eine freie Reichsstadt, Innsbruck eine Stadt in seinen Erblanden. In ihr konnte er bestimmen; sie bot ihm und seinem Hofstaat Heimatrecht und Sicherheit inmitten der Felsenburg Tirol. Wohl führte auch ihn das Wanderleben, das fast allen Kaisern des Mittelalters wegen des Fehlens eíner Reichshauptstadt aufgezwungen war, von Stadt zu Stadt; aber in Innsbruck konnte er seine künstlerischen und geistigen Ideen Wirklichkeit werden lassen.
Maıximilian war von der mittelalterlichen Kaiseridee durchdruıngen und wollte, daß die Krone für immer mit dem Hause Habsburg- verbunden bliebe. Um dem Kaisertum neues Ansehen zu verleihen, umgab er sich mit einer glanzvollen Hofhaltung, in der Gelehrte und Künstler den Ton bestimmten. Den Glanz einstiger Kaiserherrlichkeit wiederzuerwecken, richtete er seinen Blick ebenso in die Vergangenheit wie in die Zukunft. So ist er nur mit einem Teil seines Wesens der „letzte Ritter", der zur Erhöhung der Glorie seiner Familie und seines eigenen Namens die Geschichtsschreibung fördert. Nicht weniger ist er ein homo novus, der dem Humanismus und der Renaissance angehört. Die Humanisten erforschen die römische Geschichte und verankern die Legitimität des Kaisertums weit zurück bis zu jenem ersten Imperator Augustus. Die Antike verkörpern der Humanistenkreis, den Maximilian um sich sammelt mit Konrad Peutinger und Willibald Pirkheimer, sowie die Wiener Universität mit Conrad Celtis und den Tirolern Johannes Fuchsmagen und Peter Tritonius.
Am Innsbrucker Hof stand die mittelalterliche idee des „letzten Ritters" im Vordergrund. Der Tiroler Marx Treitzsaurwein schrieb als kaiserlicher Sekretär das Turnierbuch des Freydal, das Versepos der Brautfahrt Maximilians, den „Teuerdank", und die bis zum Vater Friedrich III. zurückreichende Selbstbiographie des Kaisers, den „Weißkunig". In Innsbruck entstand das Ambraser Heldenbuch, die kostbare Aufzeichnung der mittelhochdeutschen und germanischen Heldensagen, die die einzige Abschrift des Gudrunliedes bewahrt. Im nahen Hall baute der kaiserliche Protonotar Florian Waldauf von Waldenstein in echt mittelalterlicher Tradition seine große Heiltumschau auf, eine der größten Reliquiensammlungen seiner Zeit.
Innsbruck als kaiserliche Residenz war aber nicht so sehr von der Wissenschaft als von der Kunst bestimmt. Nur hier gab es eine kaiserliche Hofkunst, einen maximilianischen Stil. In dem Hofmaler Jörg Kölderer fand Maximilian den Künstler, der im knorrigen, der reichen spätgatischen Tradition Tirols entwachsenen Stil die Prachtbücher illustrierte und die politischen Absichten seines Herrschers in das künstlerische Gewand kleidete. Kölderer malte die Zeugbücher, das Jagd- und Fischereibuch und entwarf den farbenprächtigen Aufmarsch des kaiserlichen Hofstaates im „Triumphzug".
In Innsbruck steht das Goldene Dachl, das einzigartige Hochzeitsdenkmal des Kaisers, geschaffen im Jahre 1500 zur Erinnerung an die Eheschließung (1494) mit der Mailänder Herzogstochter Maria Bianca Sforza. Es ist der Abschiedsgruß des Kaisers an das Mittelalter. Der Hofsteinmetz Nikolaus Türing rneißelte in den bildsamen Sandstein - in den verrenkten und verschlungenen Gestalten der Maruschkatänzer - eine Huldigung der letzten Gotik an den Kaiser; der Hofmaker Kölderer ließ in dem Narrenaufzug das verspielte, mittelalterlich höfische und in den bannertragenden Landsknechten das neue, gewalttätige Zeitalter anlclirıgen. Die vergoldeten Kupferplatten des Daches künden noch heute vom Glanz der kaiserlichen Majestät. Verschollen sind die prunkvollen, perlenbestickten Goldornate und der Kaisermantel, den der Hofseidensticker Leonhard Straßburger genäht hatte, sowie die Pokale und Scmucketten des Innsbrucker Hofgoldschmiedes Michael Zeißl.
Maximilian sah in der Kunst die Möglichkeit, durch künstlerisch geformte Gebrauchsgegenstände das Leben genußvoll zu verschönen, diese aber auch zu Kündern kaiserlicher Macht zu erheben. Sogar die Waffen des Krieges und des kriegerischen Turniersports erhielten edelste künstlerische Gestaltung und warben für den Kaiser. Die Harnische, die in der Innsbrucker Hofplattnerel geschlagen wurden, dienten als diplomatische Geschenke an Fürsten und Gesandte. Der Hofplattner Konrad Seusanhofer schuf, unterstützt von Vergoldern und Ätzmalern, jene Riefel- und Faltenrockharnische, die modísch und künstlerisch zugleich waren und das Ansehen des Kaisers in aller Welt verkündeten. Die Geschütze der kaiserlichen Artillerie, die die Innsbrucker Meister Jörg Endorfer und Peter Löffler gossen, waren unerreicht als moderne Kriegswaffen, und darüber hinaus vertraten sie im künstlerischen Schmuck ihrer Wappen und Embleme den Machtanspruch Maximilians. Das Kaisers Forderung an Techniker und Künstler galt immer der Verbindung von Zweckmäßigkeit, Werbung für seine Politik und künstlerischer Schönheit.
Den Höhepunkt und die Zusammenfassung der kulturellen Tätigkeit Maximilians bildet sein großangelegtes Grabmal in der Innsbrucker Hofkirche. Alle Ideen sind in dieser „Begräbnus" vereinigt: das Totengeleite, wie es an den Königsgräbern der Gotik in Frankreich und Burgund vorgebildet lag; die Legalität der von den antiken Herrschern abgeleiteten römischen Kaiserwürde; die in den Hausheiligen der Habsburger repräsentierte kirchliche Sonderstellung der Familie; der von den ritterlichen christlichen Königen der germanischen Frühzeit (Theoderich, Chlodwig, Artus und Karl dem Großen) stammende, religiöse Mythos der herrscherlichen Würde als Beschützer der Christenheit; schließlich der in den eigenen Vorfahren und der angeheirateten Verwandtschaft begründete Vorrang des Hauses Habsburg vor anderen Königen als dem einzigen würdigen Träger der Kaiserkrone. So enthält das Grabmal in seiner künstlerischen Hülle die geheimen Wünsche, die erreichten Ziele und das politische Vermächtnis Kaiser Maximilians. Die Ausführung dieses größten abendländischen Kalsergrabes in kostbarer Bronze zog sich über ein halbes Jahrhundert hin. Maximilian hat es 1502 begonnen; die Vollendung erlebte er nicht, aber sie geschah nach seinem Programm. 28 überlebensgroße Ahnenstatuen, 23 Sippenheilige und 20 Büsten römischer Kaiser sind das imposanteste Gelelt, das je ein Kaisergrab schmückte. Die Künstler des Kaisers in Innsbruck - Gilg Sesselschreiber, Stefan Godi, Leonhard Magt, Gregor Löffler - und berühmte Meister von auswärts - Albrecht Dürer, Peter Vischer, Christof Amberger, Hans Leinberger - schefen ein Werk von europäischem Rang: ein Vermächtnis, das neben den literarischen Unternehmungen und dem musikalischen Opus seiner berühmten Hofkapelle den Begriff der maximilanischen Kunst umschließt.
Als der tpdkranke Kaiser Maximilian im Herbst 1518 seinem Sterbelager Weis entgegenzog, führte ihn sein letzter Weg in das geliebte Innsbruck. Als er durch die Stadttore hinaus nach Osten weiterfuhr, klang ihm wphl die wehmütige Weise des alten Liedes nach, das sein Hofmusiker Heinrich Isaac bearbeitet hatte: „Innsbruck, Ich muß dich lassen..."
ERICH EGG

Der letzte Ritter - Mäzen der frühen deutschen Renaissance-Musik
Maximilian - als Erbe seines Vaters Kaiser Friedrichs III. und seines Schwiegervaters Herzog Karls des Kühnen von Burgund erst Deutscher König, dann Römischer Kaiser Deutscher Nation - ist nur ganz vorübergehend zu Wien ansässig gewesen; seine besten Tage hat er in Innsbruck verbracht, wo er als junger „Weißkunig" geschwärmt, bis er dann 1490 von seinem verrotteten Oheim Erzherzog Sigismund dem Münzreichen das Grafentum von Tirol übernahm. (Seit etwa der Jahrhundertwende wurde er zu Augsburg in dem Grade heimisch, daß die Franzosen ihn als „Bürgermeister von Augsburg" belächelten.) Wie er die Stadt am Inn geliebt hat, wo er vielleicht heimliche Lust erster Leidenschaft erfahren, spiegelt sich in dem Volksglauben, wonach das Handwerksburschenlied „Innsbruck, ich muß dich lassen" der junge habsburgische Erzherzog selbst gedichtet und melodiert habe, bevor er als Freier der edien Maria von Burgund gen Gent und Brügge ritt.
Mag sein, daß die schöne Weise, die heute noch als „O Welt, ich muß dich lassen" oder zu „Nun ruhen alle Wälder" im Volksmund lebt, audı aus seinem Herzen gesungen war; sehr wahrscheinlich sogar, da sie im älteren Satz (Tenarkanon) als Christe eleison jener Missa carminum oder Quodlibetmesse erstmals auftaucht, die sein Hotkomponíst Heinrich Isaac zur niederländisch-spanischen Hochzeit (Antwerpen 1496) zwischen Maximilians Tochter Margarethe und dem iberíschen Thronerben Don Juan geschrieben zu haben scheint (sie beginnt mit dem Liedkopf „Es wurb einmal eins Königs Sohn wohl um ein Keyserínne"). Isaac - ein Niederländer, der schon in den seligen Brauttagen zwischen Max und Maria den Vertrauten gespielt - hat außer diesem noch einen zweiten, in seiner schwebenden Schönheit und Durchsichtigkeit weit berühmter gewordenen Ouartettsatz zum "Innsbruck" Lied geschrieben: hier erstrahlt die Weise im Diskant, und das weit ausschwingende Schlußmelisma „wo ich im E-lend bin" wird von „weinenden” (thronodischen) Quartparallelen affekthaft begleitet und ausgezeichnet. Heinrich Rietsch, dann Th. Kroyer haben treffend den renaissancehaft-humanistischen Zug dieser späteren, etwa auf 1510 anzusetzenden Komposition gegenüber dem unkörperlich-letztgotischen Konstruktivismus der tenoralen Erstfassung betont - eine Zeitstílscheide erster Ordnung! Adam von Fulda, der entschieden spätgotisch gesonnene Hofkapellmeister Friedrldıs des Weisen in Torgau, hat zwar über solche Sopransätze gegrämeit, die könne Jeder Dilettant schreiben - aber es war der neue Jugenddurchbruch von Italien her, dem sich auch Isaac mit Glück unterwarf, die Beseeltheit von Josquins Ausdruckskunst, die uns als „Musica reservata" noch beschäftigen wird. Der herrlich klare Sopransatz, den unsere Platte neben dem andern, so kunstreich gebosselten mit seinem Mittelstimmen-Doppelcantus fírmus bringt, schwingt - bis auf die kurze Strecke „in fremde Land dahin", wo das quadratische Mauerwerk der gleichschreitenden Urbauweise durchlugt - im 3/2-Takt; das moderne evangelische Kirchengesangbuch bietet die Melodie halb ausgeplättet im 6/4-Metrum des Eislebener Cantuals von 1598 und (zu P. Gerhardts Abendlied) im neuzeitlichen 4/4-Maß, in dem wieder das älteste Schema hervortritt.
Als echter fürstlicher Mäzen hat Maximilian an Heinrich Isaac gehandelt. Dieser große Musiker - der großartige Messen schrieb und für das Konstanzer Domkapitel jenen Proprienjahrgang „Choralis Constantinus" verfaßte, der sich neben Maximilians Triumphzug von Hans Burgkmair oder Dürers Gesangbuch für den Kaiser stellt - war mit einer Florentinerin (von seiner Organistenzelt am Arno her) vermählt, weshalb ihn z. B. Macchiavell in Konstanz besuchte, um ihm namens der toskanischen Republik über die Italienpläne des Herrschers auszuholen. Als der Hofkomponist, alt und krank geworden, vom Kaiser endgültigen Urlaub erbat - der ihn als seinen Geschäftsträger längst wieder zu den Medícis entsandt hatte -, wollten die Tiroler Räte die Bezüge des Musikers streichen - der letzte Ritter aber verbot dies, „wann er uns dort nützer dann hier". Isaac war derweil in seinem Hofamt längst de facto durch seinen Meisterschüler Ludwig Senfl abgelöst worden und starb 1517 in Italien.
Als Max die Residenz Innsbruck übernahm (man sehe Dürers Aquarell), traf er einen hier bereits zehn Jahre lang tätigen Künstler an, von dem Paracelsus, der große Arzt, gesagt hat: was der Dürer „auf der Malerei, das sei dieser auf der Orgel": Paul Hofhaimer aus Radstadt in den Salzburger Tauern - den größten Tastenkünstler seines Jahrhunderts, aber auch einen der lieblichsten Setzer deutscher Lieder, unerschöpflich im Fantasieren, unübertroffen im Wohlklang seiner Harmonik, überdies ein Lehrer, zu dem sich alle deutschen und sogar führende venezianische Talente drängten. Der Kaiser ließ ihm in Innsbruck ein Haus und mehrere wunderbare Orgelwerke nach Hofhaimers Plänen bauen; er sicherte ihm Renten und Zölle zu (von denen er dann freilich infolge ewiger Geldnot und politischer Unrastigkeit manches schuldig bleiben mußte, so daß sein Oberorganist schließlich zu den Fuggers nach Augsburg, zu Friedrich dem Weisen, schließlich zu Maximilians Günstlirıg, Fürsterzbischof Matthäus Lang, nach Salzburg zu gehen gezwungen war).
Isaac, Hofhaimer und Ludwig Senfl, im Alter jeweils durch eine Halbgeneration von 15 Jahren getrennt, waren vertraute Freunde und bildeten eine vorbildliche Künstlergemeinschaft: Vokalsätze Isaacs überzog Hofhaimer mit dem Filigrangespinst seines „organistisch reißwercks“, und von Senfl ist kürzlich in Kärnten ein Orgelstück hervorgetreten, das ihn als unverkennbaren „Paulomimen“ (so nannte man damals bewundernd die Hofhaimer-Schüler) kundtut; auch haben Hofhaimer und Senfl zu Passau eine gemeinsame Doppelhochzeit gefeiert, und es gibt Briefe Beider voll rührender gegenseitiger Anteilnahme. Isaac bevorzugte derbe Volkslieder, die er bei der Kürze ihrer Strophen gern mehrmals hintereinander in einem Satz abschnurren ließ. Ein drolliges Wettbewerbsunternehmen bildet etwa das Tiroler Spottlied „Greiner, Zanner, Schnöpfltzer, wie gefällt dir das“, das Hofhaimer als Terzett vom Baß über den Tenor in den Diskant, metrisch immer gedrängter, aufsteigen läßt, das Isaac meisterlich normal, schließlich aber der alte gewaltige Heinrich Finck aus Bamberg übermütig als instrumentalen Quintettsatz wirbeln läßt.
Wenn derlei auf unserer Platte beiseite bleibt, so eben wegen der „Residenz“ - das war Musikantenspaß, während in der habsburgischen „Kammer“ einer edieren Kunst gehuldigt wurde: dem Hofweisen-Repertoire. Gegenüber der Dinghaftigkeit von „Bauer, Maidlein, Ring und Schwert, Wald und Vögelein“ ist es durch die Neigung zu abstrakten Begriffen gekennzeichnet; man gehe nur die Liedanfänge unseres Programms durch, so trifft man auf Freud, Zucht, Ehr, Lob, Willen, Trauren, Ursach, Unglück, Mut, Geduld (Pecientia), regret, cause, Fleiß und Müh - lauter Worte, die sich leicht ins Humanistenlatein übersetzen ließen und Renaissancedenken spiegeln; freilich begegnen einem auch Übergangserscheinungen wie „Mißgunst hat einen breiten Fuß" . . . Aber diese Hofweisen (wie sie Rochus vcın Liliencron nach dem weit älteren Ausdruck modus curialis getauft hat) sind nicht nur dichterisch als Begegnung des abgesunkenen Minnesangs mit dem jungen Renaissanceerlebnis gekennzeichnet (man könnte auch aus der Vorliebe für Stellworte u. dgl. ihren
Ursprung am Schreibtisch erweisen), sondern auch musikalisch: durch die außerordentlich feinsinnige und weiträumige Melodieplanung, die solche linearen Tongebilde vielfach kirchentonartlich reich disponiert, nach Spitzentönen, nach verschieden großen Ausdrudcsmelismen, nach rhythmisch gegensätzlichen Finessen abgestuft zeigt. Es sind - wie die von Kaiser Max bei Hofhaímer als dem Zentralrepräsentanten der Gattung offenbar bestellten, an fürstliche Bräute gerichteten Werbegedichte - edle, ja raffinierte Goldschmiedsarbeiten in musicis, den goldenen Salzfüssern eines Cellini oder den wunderbaren Plattner-Rüstungen des Innsbrucker Hofs in Schloß Arnbras in etwa zu vergleichen.
Das 19. Jahrhundert, das sich erstmals dieser Kunst wieder annahm, hat sie sich nur als A Cappella-Chörlein von Madrigalvereinígungen vorzustellen vermocht und in seinen Neudrukken durch willkürliche Textierung aller Stimmen mißverstanden und umgefülscht. Gewiß, seit 1536 - in den Nachlaßliedrn von Finck, bei Schöffer und Apiarius, in der ersten Lieferung von Forsters „Auszug“ - ist eine solche nachträgliche Vokalisierung - manchmal nicht ohne etwas Gewalt - unter dem Einfluß des literaturbesessenen Humanismus an Sätzen der Altmeister durchgeführt worden; jedoch die meisten Hofweisen der Zeit von Lochamers Nürnberger Liederbuch um 1460 bis zu Maximilians Tod (1519) sind unzweifelhaft dem Tenor- (bzw. Bariton-) Sololied mit instrurnentalen Begleitstimmen (von Renaissance-Ausnahmen wie „Innspruck" II abgesehen) zugehörig; was schon daraus hervorgeht, daß alle die zuständigen Drucke - wie Öglin, Arnt von Aich, Schöffer, die die Praxis der Hofrnusiker des Kaisers, des Bischofs von Augsburg, des Herzogs von Württemberg nachbilden, später die bürgerlichen Drucke von Egenolf in Frankfurt, dann die Senfl-Fugger-Handschriften - die Singtexte einzig im Tenorheft bieten.
Man konnte solchen Satz auch völlig instrumentalisieren, für Blöckflötenchor, für eine Krummhörnergruppe (falls die Einzelstimme eine None nicht überschritt), für Poscıunen- oder Zinkenensemble, und man sieht noch an einem der Musikantenwagen des „Triumphzugs", wie offenbar ein Ouintettsatz mit Deppelkernweise besetzt wurde: der kantable rote Faden durch zwei Gumben, die drei Kontrapunktlinien aber sichtlich durch drei Zupfinstrumente. Auch Intavolierungen für die Laute (so von Judenkünig, Gerle, Neusiedler) oder für Tasteninstrumente (von Schlick oder den Paulomimen Hans Buchner, Kotter, Kleber, W. Grefínger, Sicher etc.) begegnen, natürlich reichlich mit den superinventiones (Zusatzerfindungen) instrumenteneigner Ornamentik ausziseliert, wobei dann eine Stimme, etwa der letzterfundene Altus-Vagans, eingespart, aber im Orgelfall auch noch eine fünfte hinzuerfunden werden konnte. Im ganzen gilt, daß die Sätze vor 1500 drei Stimmen, nach 1500 ihrer vier, seit 1530 gern 5-6 zählen.
Wenn in der zweiten Hälfte unseres Programms mehrere Chansonsätze von Josquin Despres erscheinen, so ist dieser zwar anscheinend nicht, wie sein Kunstrivale Jakob Obrecht, des Kaisers persönlicher Gast in der Innsbrucker Hofburg gewesen; er hat aber - wie die gesamte Epoche, so auch - die Tonmeister zu Innsbruck (Senfl voran) mit seiner Kunst vom Raffaelschen Rom oder vom wallonisch-flämischen Condé her - seinem Geburts- und Sterbeort - stark angestrahlt. Wie stark, das lehrt auch eines der schönsten Hofhaimer-Stücke, die Liebesklage „Meins Traurens ist Ursach", die ihren phrygisch nothaften Themenbeginn (genau wie die Wittembergische Luthermelodie „Aus tiefer Not") einem Josquinschen Themenkopf verdankt oder frei nachgebildet hat. Luther sprach nur die Bewunderung des ganzen Zeitalters aus, wenn er rühmte: „Josquin ist der Noten Meister, die haben's machen müssen wie Er gewollt - die andern Sangmeister machen meist nur, wie's die Noten wollen“. Josquins Musica reservata bedeutet „Musik nur für Kenner"; damit meinte er: durchseelte, vermenschlichte Ausdruckstonkunst. Sie war das Kernprodukt der Renaissance als einer „Wiedergeburt des (ideal antiken) Menschen", und es beleuchtet die mehr letztgotische Handwerklichkeit Isaacs im Gegensatz zu Josquins grandseigneuralem Artismus des neuen 16. Jahrhunderts, wenn ein Zeitgenosse berichtet: „Isaac kann immer schaffen, Josquin dagegen nur, wenn er Laune hat." Die Chansonkunst hatte vorzugsweise am Burgunderhof durch Dufay, Binchois,
Ockeghem geblüht; wenn Despres sie nach Rom verpflanzte, so trug auch das dazu bei, die Weltführung aus den Südniederlanden nach Italien zu verlegen. Dach wenn Kaiser Maximilian jenen vertonten Liebesgedichten lauschte, so waren sie ihm Inbegriff unwiederbringlich holder Tage - jener kurzen Glüclszeit, die ihm der Name seiner Einziggeliebten umschloß, der Maria von Burgund - die Erinnerung an sie umschwebte ihn auch in der Stadt des „goldnen Dachls", obwohl Maria Innsbruck nie gesehen hatte.
HANS JOACHIM MOSER
(Columbia C 91 107)