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1 LP -
C 91 101 - (p) 1961
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1 LP - 1
C 037-46 522 - (p) 1961 |
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DÜSSELDORF
- Am Hofe Jan Wellems |
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Agostino
Steffani (1654-1728) |
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"Tassilone" -
Tragedia per Musica (in 5 atti) -
Text von Stefano Benedetto
Palavicini |
18' 46" |
A1
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Sinfonia (Ouvertüre) - Grave ·
presto
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Arie des Adalgiso: "Piangerete, io
ben lo so" |
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Ballo (Chor der Soldaten: "D'onori e
premi e prede" |
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Rezitativ und arie der Rotrude:
"Ferma, ferma, padre ingannato! -
Tutta tremo e per le vene" |
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Marlies
Siemeling, Sopran | Manfred
Schmidt, Tenor | Günther
Arndt-Chor
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Karl Steins,
Oboe | Eugen Müller-Dombois,
Laute | Heinz Friedrich Hartig,
Cembalo
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Die Berliner
Philharmoniker | Wilhelm
Brückner-Rüggeberg, Dirigent
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Hugo Wlderer
(1670-1724) |
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Quid
gloriaris misera humanitas? -
Konzertierende Motette aus
"Modulationi Sacre" für Alt, Tenor,
Baß, Streicher und Generalbaß |
9' 20" |
A2
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Sieglinde
Wagner, Alt | Theo Altmeyer,
Tenor | Theo Adam, Baß |
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Wolfgang Meyer,
Orgel | Die Berliner
Philharmoniker | Karl Forster,
Dirigent
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Johann Schenk
(1660-1712) |
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Suite
Nr. 3 h-moll - Aus "Scherzi
Musicali" für Viola da Gamba und
basso continuo |
10' 20" |
B1
|
- Preludium ·
Allemande · Courant ·
Sarabande/Variatio · Gigue |
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Alfred Lessing,
Viola da Gamba | Walter Thoenem
Cembalo continuo | Hoest Hedler,
Viola da Gamba continuo
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Agostino Steffani |
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"Placidissime
catene rallentarvi è crudeltà"
- Kammerduett für Sopran, Alt und
Geberalbaß |
6' 30" |
B2
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Pilar Lorengar,
Sopran | Sieglinde Wagner, Alt
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Eugen
Müller-Dombois, Laute | Heinz
Friedrich Hartig, Cembalo | Paul
Rainer Zepperitz, Kontrabaß
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Arcangelo Corelli
(1653-1713) |
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Concerto
grosso Nr. 9 F-dur
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9' 00" |
B3
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-
Preludio · Allemanda · Corrente ·
Gavotta · Adagio/Menuetto
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Georg Friedrich
Hendel, 1. Violine | Hans Bünte,
2. Violine | Betty Hindrichs,
Violoncello | Günter Karau,
Cembalo
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Kammerorchester
des Saarändischen Rundfunks |
Karl Ristenpart, Dirigent
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Interpreters (see
above).
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Luogo
e data di registrazione |
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Registrazione:
live / studio |
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studio |
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Producer /
Engineer |
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Fritz
Ganss / Gerd Berg / Christfried
Bickenbach / Horst Lindner |
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Prima Edizione
LP |
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Columbia
- C 91 101 - (1 LP) - durata 53'
56" - (p) 1961 - Analogico |
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Altre edizioni
LP
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EMI
Electrola - 1 C 037-46 522 -
(1 LP) - durata 53' 56" - (p) 1961
- Analogico |
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Edizioni CD |
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Cover |
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Düsseldorf
- Anonymer Stich (1. Hälfte 18.
Jahrhundert) - Stadtmuseum
Düsseldorf
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Der Hof
Jan Wellems
"Jan Wel|em" nannten ihn
seine Untertanen |n der
Residenzstadt
Düsseldorf; sie hatten
ein Recht zu dieser
Vertraulichkeit, denn er
war am 19. April 1658 im
Düsseldorfer Schloß
geboren, hatte
zeitlebens dort gewohnt
und sprach ihre Mundart.
Noch heute erinnert an
ihn das große
Reiterstandbild, das
mitten auf fem
Gemüsemarkt vor
Tussmanns Rathaus steht
ind ihn in der Blüte
seiner Jahre, auf der
Höhe seines Ruhmes
darstellt. Mit der
Selbstherrlichkeit des
echten Barockfürsten
hatte er es bei seinem
hochgeschätzten
Hofbildhauer, Chavalier
de Grupello bestellt;
die dankbare Stadt hat
später - um 1830 - einen
bescheidenen sockel dazu
gestiftet. Dankbar waren
ihm seine treuen
Untertanen eigentlich
nicht, denn Jan Wellem
verstand es, hohe
steuerliche Abgaben von
ihnen zu verlangen und
sie auch einzutreiben.
Doch das Gefühl für die
Größe dieser Zeit und
die Stellung Jan Wellems
blieb in seiner
Vaterstadt über alle
Widrigkeiten des
Schicksals hinweg
bestehen.
Jan Wellem entstammte
dem bayerischen Hause
Wittelsbach. Sein
Großvater, Pfalzgraf
Wolfgang Wilhelm von
Neuburg an der Donau,
erbte das theinische
Land, weil seine Mutter
eine Anna von Kleve war.
Das Sinnen und Trachten
des Vaters Philipp
Wilhelm, ging dahin, die
Macht und das Ansehen
seines Hauses durch neue
Verbindungen zu
festigen. Er vermählte
seine Töchter mit den
Königshäusern von
Portugal und spanien,
die älteste sogar mit
dem deutschen Kaiser
Leopold I. Johann
Wilhelm, sein Erbprinz,
erhielt die
Stiefschwester des
Kaisers zur Germahlin;
nach ihrem frühen Tode
heiratete er Anna Maria
Louisa von Toscana aus
dem Hause Medici.
Schon zu Lebzeiten des
Vaters übernahm Johann
Wilhelm das Herzogtum
Jülich und Berg. Der
Vater erbte 1685 die
Rheinpfalz mit der
Hauptstadt Heidelberg
und wurde damit
Kurfürst. Nach dem Tode
des Vaters vergrößerte
Johann Wilhelm sein Land
durch geschickte
Verhandlungen, wurde
Kurfürst der Oberpfalz
und Truchseß des
deutschen Reiches. Bei
der Kaiserkrönung Karls
VI. am 22. Dezember 1711
in Frankfurt am Main
übte er dieses Amt "im
vollen Glanz seiner
Würde" aus.
Durch den
Friedensvertrag zu
Rastatt 1714, der den
spanischen Erbfolgekrieg
beendete, verlor der
Kurfürst die Oberpfalz
und die Würde des
Reichsvikars. Seelisch
und körperlich gebrochen
starb er am 8. Juni 1716
im alten Schloß zu
Düsseldorf.
Die Erziehung des
Erbprinzen Johann
Wilhelm war durch
ständige Verbindung mit
den Mitgliedern der
"Gesellschaft Jesu" in
religiösen Lobensfragen
und den
Geisteswissenschaften
die denkbar beste. Die
Beherrscgung mehrerer
Fremdsprachen, Kenntnis
der Geschichte, Pflege
der ritterlichen
Tugenden, höfische
Lebensformen, zu denen
auch Tanzen, Singen und
Musizieren gehörten,
waren an einem Hofe, der
dem kunstliebenden
Kaiserhaus so nahe
stand, eine
Selbstverständlichkeit.
Auf einer zweijäjrigen
Reise an die
bedeutendsten
Fürstenhöfe seiner Zeit
- Brüssel, Paris,
London, Rom, Wien -
erhielt der junge Prinz
vor allem von den
umfassenden und
künstlerischen
Gesamtplanungen Ludwigs
XIV. von Frankreich
einen bachhaltigen
Eindruck, Der vom
"Sonnenkönig" bis in
jede Einzelheit der
Etikette und
Künstlerischen
Gestaltung geforderte
und persönlich
kontrollierte Aufbau
eines Staatswesens blieb
für Johann Wilhelm, der
aus dem an
patriarchalische Formen
gewöhnten Deutschland
kam, zeitlebens ein
erstrebenswertes Ziel.
Aus den Staatsakten des
Düsseldorfer Hofes kann
man ersehen, wie er die
Regierungsgeschäfte mit
peinlicher Genauigkeit
wahrnahm, kommentierte
und vor allem die
Rechtsprechung besonders
beachtete. Gegen die
"juristischen
Quacksalber" ging er mit
unerbittlicher Strenge
vor, behandelte sie
gelegentlich aber auch
mit Humor. Man erzählt,
daß Jan Wellem den
Avokaten seiner Residenz
"als Neujahrsgeschenk
ein wunderschönes
frazösisches, leicht
verständliches Gebet
gesandt habe, das ihre
Absichten und Studien
heiligen könnte und
sollte."
In seinen weit
ausgestreckten Landen,
vom Niederrhein hinauf
bis zum Oberrhein und an
der Donau antlang bis
nach Böhmen, war es bei
den kriegerischen Zeiten
oft nicht möglich, für
die nötige Ordnung und
Ruhe zu sorgen. Es war
die Zeit, da die Türken
vor Wien standen, die
Franzosen die Pfalz
besetzten und Heidelberg
niederbrannten und der
spanische Erbfolgekrieg
die Lande unsicher
machte. Nach einem
Vertrag mit dem
Kaiserhaus mußte Jan
Wellem ein Söldnerheer
mit 6000 Mann
aufstellen. Seine
Staatskasse wies daher
stets erhebliche Löcher
auf, obwohl der Kurfürst
sie geschickt aus neu
eingerichteten Steuern
und durch
Subsidienverträge
aufzufüllen wußte.
Sobald es sich jedoch um
persönliche Belange oder
um die Repräsentation
seines Hofes handelte,
standen alle Mittel zur
Verfügung. Chavalier de
Blainville schreibt im
Jahre 1705 aus
Düsseldorf: "Der Hof
ist zahlreich und
glänzend, und man tut
nichts ohne Pracht und
Herrlichkeit. Bälle,
Opera, Comödien,
Musikkonzerte,
Freudenfeste, alles
ist herrlich. Und alle
diese Ergötzlichkeiten
genossen wir fast alle
Tage während des
ganzen Monats."
Daß man im Rheinland
Feste zu feiern
verstand, an denen das
ganze Volk teilnahm,
bezeugt heute noch der
rheinische Karneval, der
damals wegen der
strengen Observanz der
Fastenzeit die
eigentliche
Theatersaison bildete.
Das Theaterwesen war ein
Lieblingskind aller
europäischen Höfe, und
bei theatralischen
Aufführungen spielte die
Musik eine gewichtige
Rolle. Durch reiche
Beziehungen nach Wien
und Italien konnten
auswärtige Musiker
entweder dauernd
verpflichtet oder zur
Opernsaison herbeigeholt
werden. Es war das
Eigentünliche des
Barockzeitalters, daß es
Tradition bewahrte und
den "Virtuoso", eine
Schöpfung der
Renaissance, beibehielt,
ihn sogar als Glanzlicht
in der Gloriole des
Monarchen betrachtete.
Kastraten und später -
Primadonnen bildeten die
eigentliche Attraktion
der höfischen Oper.
Der Reiz alter und neuer
Musikinstrumente,
namentlich der
vielfarbige Reiz der
Streichinstrumente, die
vom rauhen Kratzen bis
zur flötensüßen Höhe der
Vogelstimmen wirkliche
Naturgeräusche nachahmen
konnten, entzückten
damals wie heute die
vergnügungssüchtigen
Zuhörer. Schon der
Großvater Jan Wellems
hatte einen der ersten
Violinvirtuosen, Biagio
Marini, an seinen Hof
gezogen. Unter den
Hofleuten des Enkels
waren außer den
obligatorischen
"ritterlichen Hof- und
Feldtrompetern" als
Spezalität noch ein
Lautenist namens
Sigismund Weiß und der
berühmte Gambist Johann
Schenk aus Amsterdam.
Die Vorliebe für
Mehrstimmigkeit deutet
auf höhere musikalische
Ansprüche am Hofe hin.
Es mag daher mehr als
ein Zufall sein, daß der
berühmte Römer Arcangelo
Corelli, der bewußt auf
die öußerliche
Virtuosität seiner
Geigenkollegen
verzichtet und in der
Vereinfachung und
Vertiefung des
musikalischen Satzes
letztes Ziel seines
Strebens sah, Jan Wellem
die reifste Frucht
seines Könnens, die 12
concerti grossi op. 6,
widmete.
Auch die Berufung des
weltgewandten
Diplomaten, Priesters,
Sängers und
Opernkomponisten
Agostino Steffani an den
Düsseldorfer Hof läßt
vermuten, daß Anzeichen
eines neuen Stils sich
bemerkbar machen, denn
Steffani hat mit großem
Erfolg an der
Rückführung des neuen
monodischen Stils in die
alten Grundlagen der
musikalischen Polyphonie
gearbeitet. Ebenso läßt
die Vorliebe des Fürsten
für die feinsinnige
Pinselei des Modemalers
Adrian van Werff aus
Rotterdam oder die
Stilleben des Jan Weenix
die Anbahnung eines
neuen Stils erkennen,
die Wende vom Spätbarock
zum graziösen Rokoko.
Hauptmerkmal des
kurfürstlichen Hofes war
also die Pflege der
Kunst. Von Jan Wellems
selbständiger
künstlerischer arbeit
nennen die Biographen
Elfenbeinschnitzerei.
Dieses Material mit
seinen zarten Farbtönen
und feinen
Linienführungen läßt
erkennen, daß das
künstlerische Streben
auf Verfeinerung
gerichtet war. Das
Porzellan, das Jan
Wellem bereits sammelte,
sollte in der
nachfolgenden Zeit zum
bevorzugten Material der
plastischen Gestaltung
werden.
Durch den persönlichen
Kontakt mit einer großen
Schar hervorragend
begabter,
schaffensdurstiger
Künstler (Architekten,
Maler, Bildhauer,
Stukkateure,
Goldschmiede, Uhrmacher,
Waffenschmiede), deren
Werke heute noch von
Kennern und Liebhabern
geschätzt werden,
verstand Jan Wellem es,
seinem
Repräsentationssinn und
dem Ehrgeiz der
Kunstschaffenden zu
genügen. Hier sparte er
niemals mit Anerkennung,
beförderte seine
Schützlinge zu
Kammerherren und
Ministern und erhob sie
sogar in den Adelsstand.
Der Großvater war mit
Rubens befreundet und
hatte von ihm Bilder
erworben. Der Enkel, der
vielleicht schon
empfand, daß die Größs
dieser Zeit vorüber war,
begann, mit Hilfe seines
ausgezeichneten
Hofmalers Douven, die
Werke der großen
Niederländer und Flamen
zu sammeln; systematisch
und unter Aufwendung
großer finanzieller
Mittel. Diese Mittel
fehlten ihm bei der
Ausführung seiner
architektonischen Pläne,
z.B. eines Schlosses im
Versailler Stil. Die
Räume des alten
Schlosses, in denen er
die Gemälde
unterbrachte, wurden zu
eng, so daß ein
Galeriebau errichtet
werden mußte. Schloß und
Galerie stehen heute
nicht mehr.
Die Bilder aber,
darunter auch Werke
italienischer Meister,
mußten nach Jan Wellems
Tode wegen der
kriegerischen Unruhen -
die befestigte Stadt
wurde des öfteren
belagert - in
benachbarte Residenzen
verlagert werden. Im
Jahre 1806, als der
Nachfolger Jan Wellems,
Kurfürst Max von Bayern,
König geworden war und
das Bergische Land den
Franzosen zugesprochen
wurde, brachte man den
gesamten Bilderschatz -
wiederum aus
Sicherheitsgründen, weil
die Preßen mit dem
Einfall in Düsseldorf
drohten - nach München,
wo er heute noch den
Grundstock der alten
Pinothek bildet.
Jan Wellem war Sammler
aus Leidenschaft. Er
hatte mit Möbeln,
Medaillen und Münzen
begonnen und achtete
darauf, daß die
Sammlungen möglichst bis
zu Vollständigkeit
ergänzt wurden. Nachdem
er zum europäischen
Fürsten von Rang und
Namen emporgestiegen
war, nahmen seine Pläne
phantastische Formen an.
Der klassizistische
Geist, auch dies ein
Charakteristikum des
Düsseldorfer Hofes, ließ
ihn die Werke der großen
griecjischen Plastik
sammeln. Um zumindest
getreue Abbilder der
nicht zu erwerbenden
Originale zu besitzen,
arbeiteten 17 Gipsgießer
für ihn in Rom, wo man
diese Leidenschaft mit
Verwunderung notierte.
Diese Plastiken sind von
Herder, Schiller und
Goethe zu einer Zeit
beschrieben worden, als
die meisten schon in die
Mannheimer Residenz
seines Nachfolgers
angewandert waren.
Die sichtbaren Zeichen
der Regierungszeit Jan
Wellems (sein Jagdschloß
in Bensberg wurde z.B.
zu einer Kadettenanstalt
ungebaut und
verschandelt) sind heute
verschwunden oder
existieren nur noch an
wenigen Stellen, so z.B.
in Heidelberg und
Düsseldorf. Vielleicht
war mehr als das
bildnerische Erbe die
Liebe und Pflege der
Musik seine für die
Zukunft
debeutungsvollste Tat.
Denn in der Hofkirche,
im "Gehörsaal" des
Schlosses und im eigenen
Opernhaus wirde Musik
edelster Herkunft und
ausführung geboten. Der
junge Händel, der länger
als beabsichtig auf
einer Durchreise am
Düsseldorfer Hof
verweilte, mag von der
Größe und Vielseitigkeit
der hiesigen
Kunstbestrebungen
gefesselt gewesen sein.
In der Kunst, den Alltag
zum Festtag zu erhöhen,
war die Musik die
wichtigste Mittlerin.
Sie mit Liebe gepflegt
zu haben, ist ein
Ruhmesblatt des
Kurfürsten Jan Wellem
und seines Hofes.
Wolfdiether
Meinardus
Agostino Steffani
Das Wirken Steffanis für
die Düsseldorfer Oper
drängt sich in einen
Zeitraum von wenigen
Jahren zusammen. Die
steile Karriere dieses
ungewöhnlichen Mannes
(1654-1728, dessen
diplomatischer Ehrgeiz
und apostolischer Eifer
nie ganz befriedigt
werden konnten, hatte
mit der Ernennung yum
Bischof von Spiga (1706)
und zum Apostolischen
Vikar für die
norddeutschen Missionen
(1709) einen äußeren
Höhepunkt gefunden.
Musik lag wohl sehr am
Rande einer Tätigkeit,
die mit der geschickten
und "überaus glücklichen
Erledigung schwierigster
Geschäfte" für den
Kurfürsten angefüllt
war. Trotzdem sind drei
Opern von seiner Hand
für die Düsseldorfer
Zeit verbürgt (Arminio
1707, Amor vien dal
destino und Tassilone
1709) obwohl er seine
Autorschaft beharrlich
unter Vorschub seines
Sekretärs und
bevoyzugten Kopisten
Gregorio Piva zu
verschleiern suchte.
Die Parallele des Tassilone-Stoffes
(Tassilone III., Herzog
von Bayern, hatte gegen
Ende des 8. Jahrhunderts
eine Verschwörung gegen
Karl den Großen
angezettelt) zu
aktuellen Ereignissen
des Spanischen
Erbfolgekrieges, in
dessen Verlauf Kurfürst
Max Emanuel von Bayern
sich gegen den deutschen
Kaiser mit Ludwig dem
XIV, verbündete, wurde
durch Gerhard Croll bei
der Neuherausgabe des
Werkes überzeugend
nachgewiesen. Für Johann
Wilhelm von der Pfalz,
der mit diesen für Max
Emanuel unglücklichen
Auseinandersetzungen mit
der Erringung der
bayerischen Kurwürde und
der Oberpfalz 1707 einen
glänzenden
diplomatischen Sieg
errungen hatte.
bedeutete Pallavicinis
Libretto also eine
persönliche, sehr
beziehungsvolle
Huldigung.
Am 18. Januar 1709
konnte der Düsseldorfer
Hofkaplan Joseph Paris
Feckler in einem Brief
an Johann Philipp Franz
von Schönborn berichten:
"Die zweite opera aber,
welche gestert das Erste
mahll gespüllt worden,
isl also
ohnvergleichlich und
wass magnifiques, das
ainhallig gesagt wurde.
alhir niemahlen
dergleichen gesehen zu
sein". Die Namen der
Sänger dieser
Uraufführung blieben
erhalten. So erfahren
wır, daß z.B. die Rolle
der Rotrude von dem
berühmten
Soprankastraten Antonio
Pasi, die des Gheroldo
von dem bevorzugten
Künstler des Kurfürsten,
Valeriano Pellegrini
(dem Nerone in Händels Agrippina)
und die des Adalgiso von
dem auch als Komponist
und Dichter erwähnten
Lorenzo Santorini
gesungen wurde.
Die zweisätzige Sinfonia
eröffnet mit einem
pathetisch geschwellten
Grave französischer
Manier in einer für
Steffani typischen
durchsichtigen
Leuchtkraft des Satzes.
Das anschließende Presto
mit seiner lockeren
Fugatowirkung macht
delikaten Gebrauch von
den gegensätzlichen
Klangeffekten eines
Bläserkonzertinos (zwei
Oboen, Fagott) im
Wechsel mit starken
Tutti-Einsätzen.
Adalgisos getragene
Dacapo-Arie „Piangerete,
io ben lo so” ist
erfüllt von der
Hoffnung, daß sein
Nebenbuhler Gheroldo in
einem Zweikampf mit
Tassilone unterliegen
möge. Das vollstimmige
Orchester beschränkt
sich hier lediglich auf
eine kurze Umrahmung, um
innerhalb der Arie dem
reichkolorierten
Wechselspiel des Tenors
mit einer obligaten Oboe
das Feld zu überlassen.
Solche obligaten Arien
hatte vor allem die
Venezianische Oper in
Fülle hervorgebracht,
ein beredter Ausdruck
der Freude am virtuosen
Wettstreit zwischen
Sängern und
Instrumentalisten.
Wie alle Düsseldorfer
Opern dieser Zeit ist
auch Steffanis Tassilone
mıt zahlreichen Chor-
und Tanzstücken
durchsetzt, in denen die
Prachtentfaltung auf der
Szene - wohl beeinflußt
durch die französische
Ballettoper - ihre
Höhepunkte findet. In
dem Coro di soldeti "D'onori
e premi e prede"
mit anschließendem Ballo
begrüßen die Soldaten
stürmisch ihren
Feldherrn Gheroldo, der
mit ihnen in den Krieg
zieht.
In auswegloser
Verzweiflung beklagt die
liebende Rotrude ihr
Geschick in der Szene "Ferma
padre ingannato!"
Das Rezitativ steigert
sich vom "trokkenen"
Sprechgesang zu arios
ausgeweiteten Passagen.
Die Adagiolyrik der
nachfolgenden Arie "Tutta
tremo" erhält
ihren besonderen Reiz
durch die innige,
flächige Begleitung der
Violinen und Violen
(ohne Baß), ein
schwebender Effekt, wie
er im Schaffen
Alessandro Stradellas
und des jungen Scarlatti
mit Vorliebe genutzt
wirde. Die verhaltene
Trauer dieses Gesanges
wird nur einmal im
Mittelteil dirch die
schmerzlichen Ausbrücke
"Partirò? Resterò?"
aufgestört.
Rückhaltlose Bewunderung
seiner Zeitgenossen und
einen fast legendären
Nachruhm aber erlangte
Steffani durch seine
mehr als hundert
Kammerduette, "Muster
an Schönheit und
Technik", in denen
der Schüler Johann
Kaspar Kerlls und Ercole
Bernabeis den strengen
Kontrapunkstil römischer
Prägung und den
Belcanto-Schmerz der
Opernmelodie zu
feinsinnigen, in sich
vollkommenen Gebilden
edelster Substanz
umformte. Diese
einzigartigen Beispiele
vokaler Kammermusik
waren schon am
bayerischen Hof "bei der
Tafel" gesungen und für
die Hausmusik
zahlreicher adeliger
Liebhaber kopiert
worden; noch E.T.A.
Hoffmann preist in einer
Novelle "jene ernste
tiefgehaltene Duetten
von Abbate Steffani".
Eine möglichst farbige
Ausführung des
Generalbasses, wie hier
im Duett "Placidissime
catene rallentarvi",
gibt dem frei
ausschwingenden
Linienspiel der beiden
Singstimmen den
Notwendigen satten
Grund.
G.B.
Johann Hugo Wilderer
"Modulationi sacre",
geistliche Musiken, hat
der kurplälzische
Hofkapellmeister Johann
Hugo von Wilderer
(1670-1724) seine erste
veröffentlichte
Komposition betitelt.
Der in Bayern geborene
und in Venedig von
Giovanni Legrenyi
ausgebildete Musiker war
seit etwa 1692 in
Düsseldorf ansässig;
zunächst als Organist an
der Hofkirche St.
Andreas, wenig später
dann als "Vice-maestro
di Capella" und
schließlich - im Jahre
1703 - in der Stellung
eines Hofkapellmeisters
von Jan Wellem, der ihm
vermutlich auch das
Studium bei dem
venezianischen Meister
nahegelegt und
ermöglicht hatte. Mit
seinem Amt am
kurfürstlichen Hofe trat
Wilderer als
maßgeblicher Mann an die
Stelle des "armen gantz
kränckligen
Capellmeister Don
Sebastiano Moratelli",
wie es in einem Brief
heißt, den Jan Wellem an
seine Schwester, die
Kaiserin Eleonore
Magdalene Therese, in
Mai 1699 gerichtet hat.
Iokaste, Der Tag des
Heyls oder Demetrius
in Athen, La Monarchia
stabilita, Armeneo
und andere in Süsseldorf
"auff der neuen
Schaubühne Seiner
Chur-Fürstlichen
Durchlaucht zu Pfaltz"
aufgeführte Opern in
italienischer Sprache
und einem dem
spätvenezianischen nahen
Stil bilden den
Mittelpunkt der
kompositorischen
Tätigkeit Wilderers, der
von Jan Wellem zum
Kammerrat und 1704 oder
1705 in den adelsstand
erhoben worden ist. Nur
ein Teil der zehn großen
Bühnenwerke, der beiden
Oratorien, der Kantaten
und Motetten aus
Wilderers Feder ist
erhalten. Nach dem Tode
Jan Wellems wurde der
bedeutende Kapellmeister
Hugo Wilderer an den Hof
des Kurfürsten Karl
Philipp nach Heidelberg
und Mannheim berufen.
Welche Kraft aber die
Musik des Düsseldorf
Barockmeisters besitzt,
ersieht man daraus, daß
eines seiner Werke -
eine Missa brevis - von
Johann Sebastian Bach
kopiert, später als
Komposition des
Leipziger Thomaskantors
angesehen und sogar in
die alte Gesamtausgabe
der Werke Bachs
aufgenommen worden ist.
Die Aulae descripto
de vanitate mundi,
mit der Dem Hofe
eine Schilderung von
der Eitelkeit der Welt
vorgeführt werden
sollte, ist die fünfte
der für zwei, drei oder
vier Singstimmen mit
Violinen und Generalbaß
komponierten Modulationi
sacre.
Als "mia prim' Opera",
als sein erstes Werk,
bezeichnete Wilderer
diese geistliche Musik,
die er Jan Wellem
zugeeignet und dem
Ansterdamer Verleger
Etienne Roger zur
Herausgabe anvertraut
hat. Über dem Fundament
des Generalbasses zieth
sich der Klangverband
dreier solistischer
Singstimmen (Alt, Tenor,
Baß) und dreier Violinen
hin - sie lösen sich ab,
verflechten sich
ineinander und künden
warnend im erhabenen
Gewande der lateinischen
Sprache von der
"vanitas", der Eitelkeit
und dem verfehlten Ziele
menschlichen Strebens.
Zu dieser durch Wort und
Musik gleich
einprägsamen Motette
bemerkt Joseph Neyses,
einer der besten Kenner
von Düsseldorfs
musikalischer
Vergangenheit: "Auch in
diesem Werk, das sich
den Biegungen des Textes
ausdrucksvoll
anschmiegt, zeigt sich
Wilderer durch die
plastische
Herausarbeitung der
textlichen Einzelheiten,
mit ihren häufig
geforderten
Nuancierungen in Tempo
und Dybamik, als
geborener Dramatiker".
W.
Th.
Johannes Schenk
Das hohe Ansehen, dessen
sich die Viola da Gamba
und einer ihrer
vorzüglichsten Virtuosen
erfreut haben, süricht
mit aller Deutlichkeit
aus eibem Stich des
jüngeren Schenkbruders
Peter. Diese Graphik
zeigt den Meister des
Instrumentes zwar nicht
beim Spiel, wohl aber in
einer spielähnlichen,
repräsentativen Haltung,
in der der Künstler und
seine behutsam auf den
Polsterstuhl placierte
Viola da Gamba wie zwei
gleichberechtigte
Persönlichkeiten
erscheinen. Johannes
Schenck, 1656 in
Elberfeld geboren, begab
sich als junger Mann
nach Amsterdam,
verkehrte dort als
Gambist in reichen
Bürgerkreisen und fand
mit seiner Kunst Eingang
in die Residenzen
musikliebender Fürsten.
Durch mehrere Gastspiele
der Düsseldorfer Oper in
Amsterdam muß Jan
Wellems Aufmerksamkeit
auf den prominenten
spezialisten des von ihm
so hochgeschätzten
Instrumentes gelenkt
worden sein. Um 1697 zog
er ihn als
Hof-Cammermusikus nach
Düsseldorf. Das Wahl-Diarium
zur Krönung Kaiser Karls
VI. in Frankfurt am Main
(1711) führt Schenk gar
als Cammer-Rath des
Kurfürsten auf. Immer
noch breitet sich Dunkel
über den späteren
Lebensweg Johannes
Schenks. 1716, im
Todesjahr Jan Wellems,
soll er nach Amsterdam
zurückgekehrt sein.
Mit fünf Werkgruppen -
Sonaten und Suiten - hat
Johannes Schenk sein
Instrument bedacht.
Neben den für zwei
unbegleitete Violen da
Gamba komponierten Nymphe
di Rheno sind es
die vierzehn SCHERZI
MUSICALI PER LA VIOLA
DA GAMBA, die im
Jahre 1692 als opus VI
in Amsterdam bei Etienne
Roger erschienen sind
und zeigen, welch hohen
Rang auch die deutsche
Gambenkunst um 1700
eingenommen hat. Der
Titel der Sammlung ist
nicht im Sinne des
Beethovenschen Scherzos
zu verstehen, sind doch
diese Suiten Zyklen, in
denen neben anderen
Typen die vier
Stammsätze der barocken
Tanzfolge - Allemande,
Courante, Saranabde und
Gigue - ohne allen
humoristischen Einschlag
und ohne jegliches
dämonische Gebaren
auftreten. Statt dessen
herrschen höfische
Grayie, Adel und
vornehme Zurpckhaltung.
Die hier dargebotene
dritte Suite wird
eröffnet durch ein Preludium,
dessen Ablauf das Spiel
"à discretion"
erheischt - das in
Frankreich beheimatete
freie und
improvisatorische
Anyiehen und Nachlassen
des Tempos. Dem
stegreifartigen
"Einspielen" reiht sich
dann das "Bündel" der
Suitensätze mit
unterschiedlichem Tempo
und gegensätzlichem
Charakter an. Eine
Variation nur läßt
länger beu der
gravitätischen sarabande
verweilen und wandelt
ihr pathetisches Gehaben
in geschmeidigere
Bewegung um. Mit
federnder Sprungkraft
versucht dann die
abschließende Gigue, die
Lebhaftigkeit der
rhzthmisch schon
geschärften Courante zu
überbieten.
W.
Th.
Arcangelo Corelli
Arcangelo Corelli
(1653-1713) hinterließ
ein vergleichsweise
schmales Oeuvre, das
sich einzig auf
Instrumentalwerke
beschränkt. Und doch hat
wohl kein anderer
Instrumenalkomponist
seiner Zeit ihn an
Bedeutung und Einfluß
übertroffen. Unermüdlich
hat er vor jeder
zögernden Herausgabe an
seinen Kompositionen
gefeilt, alle technische
Überladenheit daraus
verbannt und dadurch
einen Stil geschaffen,
der die spezifische
Eigentümlichkeit eines
jeden Instrumentes
beispielhaft zur Geltung
kommen ließ.
Das Concerto grosso
Nr. 9 in F-dur
gehört zur Gruppe der
vier concerti da
camera, die
zusammen mit acht
schwerblütigeren
Kirchenkonzerten als Concerti
grossi op. 6 1714,
also nach dem Tode
Corellis, veröffentlicht
wurden. Dem breiten
Preludio mit der großen
Geste seiner
scharfpunktierten
Rhythmen schließt sich
eine Reihe
traditioneller Sätze der
älteren
Instrumentalsuite an,
Aber die
unvergleichliche
Behandlung des
Melodischen, die
phantasievolle
Einsprengung
konzertierender Elemente
und die feine Balance im
Gegenüber von "solo" und
"ripieno" lassen etwas
völlig Neues entstehen,
das Corelli wenn nicht
als eigentlicher
Begründer, so doch als
ersten richtunggebenden
Vertreter dieser nunmehr
rasch aufblühenden
Gattung erscheinen läßt.
G.B.
(EMI Electrola 1 C
037-46 522)
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