BÄRENREITER MUSICAPHON
1 LP - BM 30 L 1305 - (p) 1963

Cantiones Sacrae & Psalmen







Jan Pietersyoon SWEELINCK (1562-1621) CANTIONES SACRAE für fünftstimmigen Chor und Basso continuo



- Ab Oriente * 4' 10" A1

- O Domine Jesu Christe
* 3' 24" A2

- De profundis
* 5' 32" A3

- Te deum
* 12' 12" A4
Jan Pietersyoon SWEELINCK
PSALMEN für Chor a cappella



- Psalm 134 "Or sus, serviteurs du Seigneur" (6 stimmig)
2' 19" B1

- Psalm 90 "Tu as esté, Seigneur, nostre retraite" (4 stimmig)
2' 03" B2

- Psalm 122 "Incontinent que j'eus oui" (4 stimmig)
2' 02" B3

- Psalm 146 "Sus mon ame, qu'on bénie" (6 stimmig)
3' 55" B4

- Psalm 109 "O Dieu, mon honneur et ma gloire" (6 stimmig)
3' 19" B5

- Psalm 84 "O Dieu der armees, combien" (5stimmig)
2' 39" B6

- Psalm 150 "Or soit loué l'Eternel" (8 stimmig)
6' 14" B7





 
N.C.R.V. Vocaal Ensemble Hilversum | Marinus Voorberg, dirigent

Gustav Leonhardt, orgel *
 






Luogo e data di registrazione
Großen Kirche zu Loenen (Olanda) - febbraio 1961


Registrazione: live / studio
studio

Direction artistic
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Recording Engineer

Tonstudio L. Ludolph, Nieuw Loosdrecht, Holland

Prima Edizione LP
Bärenreiter Musicaphon | BM 30 L 1305 | 1 LP - durata 47' 49 | (p) 1963 | ANA


Prima Edizione CD
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Cover

Jan Goeree (1670-1731): der Stich stellt das Innere der Oude Kerk in Amsterdam mit der 1540-1545 von Hendrik Niehoff erbauten großen Orgel dar, auf der später Sweelinck gespielt hat.

Note
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Jan Pieterszoon Sweelinck (1562 in Deventer, 16. Oktober 1621 in Amsterdam), "Musicus et Organista toto orbe celeberrimus, vir singulari modestia ac pietate", "der letzte niederländische Meister mit Eigengewicht", ist vor allem als Komponist von Orgel- und Cembalomusik bekannt; in seinen Tokkaten, Fantasien, Echos, Choral-, Lied- und Tanzvariationnen bietet er als einer der ersten Kontinentalen eigenständige Instrumentalmusik nach englischem Vorbild (die Engländer Dr. J. Bull und P. Philips gehörten zu seiner engeren Umgebung). Sein Vikalschaffen - 254 Werke, meist 5stimmig, viele 4- und 6 stimmig, einige 2-, 3-, 7- oder 8stimmig - ist dennoch bedeutend. Keiner der Gesänge ist niederländisch textiert; die meisten sind über französische Texte geschrieben (wie die Psalmen), die übrigen über lateinische (wie die Cantiones Sacrae) und italienische. Sie sind ausnahmslos mehrstimmig; von monodischer Vokalmusik findet sich dabei kein einziges Stück. Die Chansons von 1584 sind wahlweise für Singstimmen und Instrumente gedacht; die Cantiones Sacrae verlangen zusätzlich Generalbaßbegleitung mit Orgel. Die Textdeklamation ist fast durchgängig vortrefflich; wenige Ausnahmen sind durch die Gebundenheit an einen Cantus firmus, an eine vergegebene Melodie, verursacht.
Unter den geistlichen Vokalwerken Sweelincks nehmen die Psalmen an Umfang eine monumentale Stellung ein. 24 Jahre hat der Meister an ihnen gearbeitet. Zwei der Psalmen erschienen vorweg 1597 in einer von louis Mongart herausgegeben Anthologie; die vier Bände des Gesamtwerkes wurden 1604, 1613, 1614 und 1621 veröffentlicht. "Keiner der anderen Bearbeiter des Psalters hat mit so machtvoller Hand das Material geformt und damit eine so großartige geistige Welt geschaffen wie Sweelinck. Alle denkbaren Satz-arten trifft man hier an; von der strengstern, kanonischen Kontrapunktik bis zur einfachen, liedartigen Setzwiese, von großangelegten 6- und 7teiligen Werken bis zu einzelstehenden, kurzen Psalmversen, von repräsentativer Doppelchörigkeit für die Ausführung im großen Raum bis zu bescheidenen Werkchen, die im häulichen Kreis, am Tisch oder beim Ofen versammelt, gesungen werden können." Dieses protestantische Standardwerk ist verhältnismäßig im Hintergrund geblieben; das liegt daran, daß die französische Sprache einer Verbreitung im niederländischen Gebiet im Wege stand, ferner, daß die Pflege der A-cappella-Musik im Laufe des 17. Jahrhunderts mehr und nehr zurückging, und drittens an der Kunstfeindlichkeit des Calvinismus überhaupt. Andererseits ist bekannt, daß Sweelincks Psalmen bis gegen 1840 im schweizerischen Dorf Zuoz (Graubünden) regelmäßig gesungen wurden - allerdings nicht in der franzosischen Original-, sondern in der rätoromanischen Landessprache (Churswelsch, Rumauntsch) des Oberengadin. Sweelinck hat sämtliche 150 Psalmen komponiert, jedoch bei weitem nicht mit allen Versen. Alle Psalmen sind über Cantus firmi geschrieben, nämlich die Genfer Melodien über die Psalmdichtungen von Marot und De Bèze. Die Komponisten dieser Melodien sind bekanntlich Lozs Bourgeoys (um 1510, nach 1561) und dessen Nachfolger Maistre Pierre. Sweelinck hat den Cantus firmus bald unverändert übernommen, bald melismatisch variiert; seine Kontrapunkte nimmt er oft aus den Motiven des Cantus firmus. Bei traditioneller Harmonik arbeitet er oft mit kanonischen Führungen und Echowirkungen. So korrespondieren seine Psalmen in der Form mit seinen Instrumentalwerken: seine Psalvariationen mit unverändertem Cantus firmus mit seinen Orgelchorälen, seine motettischen Psalmen mit den Eröffnungssätzen seiner Fantasien, seine Echopsalmen mit den Echofantasien und seine Liedpsalmen mit den Variationen über weltliche Lieder. Oft deuten seine Psalmen in feinglieedtiger Durcharbeitung den Sinn des Textes aus und können insofern geistliche Madrigale genannt werden. Im Verlauf seiner Arbeit an den ersten drei Bänden des Psalters steigert Sweelinck seine Kunst und sein Können bis ins Virtuose. Der dritte Band bildet in dieser Hinsicht einen Höhepunkt. Im vierten Band zeigt sich demgegenüber ein deutlicher Rückgang; Sweelinck Interesse hatte sich inzwischen vom calvinistischen Psalter den Texten der katholischen Liturgie yugewandt. Immerhin zeigen die letzten Psalmen intimere Behandlung gegenüber der virtuosen im dritten Band und eine deutliche Neigung zu Einkehr und Innigkeit.
Die Cantiones Sacrae von 1619 sind Sweelincks Schwanengesang; es ist interessant, daß sie mit katholisch-kirchlicher Druckerlaubnis erschienen. Die Anwendung von Madrigalismen tritt in diesen Kompositionen zurück, so daß wir in ihnen eine Sammlung edelster Motettenkunst vor uns haben. Sie sind ausnahmslos fünfstimmig; einzelne von ihnen entnehmen ihre Motive den Schatzkammern des gregorianischen Chorals. "Edel und hochgestimmt schließt Sweelincks Lebenswerk ab in reiner, geistiger Sphäre, ohne nennenswerte Madrigalismen, ganz im Geiste der vornehmen Motette." Die stürmische Bewegtheit der Psalmen weicht der Erhabenheit einer seelischen Haltung, welche die Welt überwunden hat. Hier wird nicht mehr mit dem Höchsten und um das Höchste gerungen, sondern das Höchste in seiner unendlichen Herrlichkeit geschaut. Hier klingt das Te deum und so oft das Alleluja, Sweelincks Vokalwerk ist "nicht nur ein Spiegel niederländischer Kompsitionskunst, sondern zugleich der Seelenspiegel eines großen, tiefempfindenden Menschen, der Spiegel eines Lebensweges" (Bernard von den Sigtenhorst Meyer, De vocale muziek van Jan P. Sweelinck, Den Haag 1948).

Hans Klotz