HARMONIA MUNDI
1 LP - HMS 30 816 - (p) 1966
2 CDs - 82876 70046 2 - (c) 2005
1 CD - 74321 26613 2 - (c) 1995

DREI ITALIENISCHE KANTATEN







Johann Sebastian BACH (1685-1750) Kantate - "Non sà che sia dolore" für Sopran, Traverflöte, Streicher und Basso continuo, BWV 209

24' 43" A

- Sinfonia 7' 13"  


- Rezitativ: "Non sà che sia dolore" 1' 04"


- Arie: "Parti pur" 9' 10"


- Rezitativ: "Tuo saver"
0' 46"


- Arie: "Ricetti gramezza" 6' 30"

Georg Friedrich HÄNDEL (1685-1757) Kantate - Pensieri notturni di Filli: "Nel dolce dell'oblio" für Sopran, Flauto dolce und Basso continuo, HWV 134

8' 36" B1

- Rezitativ · Arie · Rezitativ · Arie



Kantate - "Ah, che troppo inegali" für Sopran, Streicher und Basso continuo, HWV 230

9' 58" B2

- Rezitativ · Arie







 
Elly Ameling, Sopran
Hans-Martin Linde, Blochflöte und Traverflöte
Johannes Koch, Viola da gamba
Gustav Leonhardt, Cembalo
Collegium aureum
- Hans-Martin Linde, Traverflöte
- Franz-Josef Maier, Wolfgang Neininger, Ruth Nielen, Jan Reichow, Brigitte Seeger, Günter Vollmer, Doris Wolff-Malm, Violine
- Günther Lemmen, Franz Beyer, Viola
- Angelica May, Violoncello
- Johannes Koch, Viola da gamba
- Heinz Detering, Kontrabaß
- Gustav Leonhardt, Cembalo

 






Luogo e data di registrazione
Cedernsaal, Schloß Kirchheim, Schwaben (Germany) - 1966


Registrazione: live / studio
studio

Recording Supervision
Dr. Alfred Krings


Engineer
Hubert Kübler


Prima Edizione LP
Harmonia Mundi | HMS 30 816 | 1 LP - durata 43' 17" | (p) 1966


Edizione CD
Deutsche Harmonia Mundi | LC 0761 | 82876 70046 2 | 2 CDs - durata 58' 12" - 48' 19" | (c) 2005 | ADD | Only Bach
Deutsche Harmonia Mundi | LC 0761 | 74321 26613 2 | 1 CD - durata 41' 49" | (c) 1995 | ADD | Only Händel


Cover Art

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Note
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Georg Friedrich Handels große Studienreise nach Italien von 1706 bis 1709 wurde für seine künstlerische Entwicklung entscheidend. Hier einpfing er bleibende musikalische Eindrücke, die seinen Stil der Spärzeit wesentlich mitbestimmt haben. Auf dem Wege in das "gelobte Land der Musik" kam er über Florenz bald nach Rom, wo er Zugang zu der Akademie "Arcadia" des Kardinals Ottobuoni erhielt. Unter einer Akademie der damaligen Zeit hat man einen literarisch-musikalisch imemssierten Kreis von Kennern zu vcrstehen, eine intime Gesellschaft ohne bürgerliche Öffentlichkeit. In der "Arcadia" lernte Händel die erlesene Kammermusik von A. Scarlatti und A. Corelli kennen. Besonders die Solo-kantaten Scarlattis beeindruckten ihn stark. In kurzer Zeit schrieb der junge Musiker fast 100 Werke dieser Art, meist Kompositionen für eine Singstimme und Generalbaßbegleitung, zum Teil auch mit obligaten Instrumenten oder rnit Streichorchester. In keiner anderen Gattung konnte er so gründlich das italienische Melos und den clramatischen Aufbau kleiner Szenen studieren wie in den überwiegend aus zwei Rezitativen und Arien bestehenden Kantaten. In diesen frühmeisterlichen Gelegenheitswerken kündigt sich unüberhörbar dcr spätere große Opern- und Oratorienkomponist an.
Mit den "Pensieri notturni di Filli" vertonte Händel eine Szene aus jener ländlichen Schäferpoesie, die schon im 16. Jahrhundert sehr häufig Gegenstand der Komposition war und sich um 1700 erneut größter Beliebtheit erfreute. Die heitere idyllische Welt Arkadiens, in die sich die Gesellschaft jener Zeit gern versetzte, wird hier durch die nächtlichen Träumereien der Phyllis heraufbeschworen. Händel betont das pastorale Element durch die obligate Flöte, das Hirteninsirument. Sie tritt besonders in der zweiten Arie in aparten Wechselspiel mit der Singstimme hervor. Die erste Arie im wiegenden Dreivierteltakt paßt sich vollendet der Liebesdichtung an. Im ersten Teil dominiert auf der Grundlage einfachster Harmonien die unmittelbar aus dem Singen heraus erfundene eingängige Melodie. Erst der Mirtelteil moduliert stärker; in ihm werden Sopran und Flöte fast immer zusammen geführt. Nur wenige Koloraturen sind in den Satz eingestreut. In eine ganz andere Welt versetzt uns Händel mit seiner halbgeistlichen Kantate "Ah! che troppo inegail", die die Himmelskönigin Maria besingt. Als Komposition für die Kirche war das Werk sicher nicht bestimmt, eher als Erbauungsgesang im Rahmen einer Akadernie. Die Adagio-Arie ist ungewöhnlich sorgfältig im instrumentalen wie im vokalen Part ausgearbeitet und von ergreifender Ausdruckskraft in der melodischen Erfindung. In diesem Satz wird deutlich, wie Händel das italienische Ideal des Schönklanges ungemein vertieft und bereits bier über seine Vorbilder hinauszuwachsen beginnt.
Über Johann Sebastian Bachs Anlaß zur Komposition der Kantate "Non sà che sia dolore" herrscht noch heute keine Klarheit. Scherings Vermutung, Bach habe sie auf einen Text J. M. Gesners, des Rektors der Thomasschule von 1730 bis 1734, geschrieben, überzeugt am stärksten. Gesners Text in schlechtem germanisierten Italienisch ist einem jungen Gelehrten gcwidmet, der vom Ansbacher Hof nach Italian aufbricht, um einem "Zeichen des Himmels", also wohl einer Berufung, zu folgen. Da sich Bach und Gesner gegenseitig sehr schätzten, dürfte der Thomaskantor seinem Rektor mit der Vertonung wahrscheinlich einen kleinen Freundschaftsdienst erwiesen haben. Das Gelegenheitswerk verrät Bachs eingehendes Studium der italienischen Kammermusik. Wiederum spielt die Flöte als konzertantes Instrument eine bedeutende Rolle, besonders in der schwungvollen Einleitungs-sinfonia, die mitunter an Bachs Violinkonzcrt d-moll erinnert. Steht die erste Arie mit ihrer rhythmischen Differenzierung und der virtuosen Verwendung der Soloflöte der typisch Bachschen Diktion noch sehr nahe, so ist die zweite bcwußt im itnlienischen Stil gestaltet. Der leichtgefügte Tanzrhythmus, die Motivwiederholungen und die gelegentlich benutzten Trommelbässe sind unverkennbar südländisch inspiriert. Daß aber Bach trotz aller Italienismen seine persönliche Handschrift nicht verleugnen kann, zeigen jene Stellen, in denen die Flöte unvermittelt scharf punktierte Sechzehntel gegen die in Achteln sich bewegende Singstimme spielt. Bachs Rezeption des italienischen Stils war eben eine grundlegend andere als die Händels.
Lothar Hoffmann-Erbrecht