1 LP - A 00327 L - (p) 1957
1 CD - fr 492 - (c) 2011

Johann Sebastian Bach (1685-1750)






Die Drei Sonaten für Viola da gamba und obligates Cembalo






Sonate Nr. 1 G-dur für Viola da gamba und Cembalo, BWV 1027

13' 09" A1
- Adagio 3' 03"


- Allegro, ma non tanto
4' 01"

- Andante 2' 42"

- Allegro moderato
3' 20"

Sonate Nr. 2 D-dur für Viola da gamba und Cembalo, BWV 1028

14' 31" A2
- Adagio 1' 39"

- Allegro 4' 07"

- Andante 4' 06"

- Allegro 4' 38"

Sonate Nr. 3 G-moll für Viola da gamba und Cembalo, BWV 1029

14' 38" B1
- Vivace 5' 48"

- Adagio 4' 39"

- Allegro 4' 10"

Sonate G-dur für Flöte, Violine und Generalbass, BWV 1039
14' 12" B2
- Allegro 3' 21"

- Allegro 3' 44"

- Allegro 3' 41"

- Allegro 3' 15"





 
BWV 1027-1029 BWV 1039



Isolde Ahlgrimm, Cembalo Isolde Ahlgrimm, Cembalo
Nikolaus Harnoncourt, Viola da gamba Ludwig von Pfersmann, Flöte
Josef Herrmann, Viola da gamba Rudolf Baumgartner, Violin

Nikolaus Harnoncourt, Viola da gamba
 
Luogo e data di registrazione
Palais Liechtenstein, Vienna (Austria): *
- 5/6 gennaio 1955 - (BWV 1027)
- 16/17 marzo 1955 - (BWV 1028)
- 19/20 marzo 1955 - (BWV 1029)
- 1955 - (BWV 1039)
Registrazione live / studio
studio
Producer / Engineer
-
Prima Edizione CD
FORGOTTEN RECORDS - fr 492 - (1 cd) - 56' 30" - (c) 2011 - ADD
Prima Edizione LP
Philips "Minigroove" - A 00327 L - (1 lp) - 56' 30" - (p) 1957
Note
* = Informazione desunta dall'Appendice 1 al testo di Peter Watchorn "Isolde Ahlgrimm, Vienna and the Early Music Revival", Routledge 2016.

Notes
"...he plays o' the viol-de-gamboys, and speaks three or four languages word for word without book, and hath all the good figts of nature", (W. Shalespeare: "Twelfth Night " oder "What you will") (1. Akt - Szena 3).

Mit diesen Worten will Sir Toby Belch beweisen, dass Sir Andrew Ague-Cheek ein vollkommener Edelmann sei.
Tatsächlich war das Gambenspiel wenigstens 200 Jahre hindurch win wesentliches Zeichen standesgemässer Bildung. Die erste, bisher bekannte Nachricht über eine Viola da gamba, aus dem Jahre 1495, ist mit einer Herzogin in Mantua verbunden. Eine ganze Reihe unter den Königin von England waren "Gambisten", so Heinrich VIII., Jakob I., Karl I.; die Vorliebe für dieses Instrument ging in England se wit, dass zur Zeit der Königin Elisabeth in den Friseurstuben Gamben an der Wand hingen, auf denen die wartenden Kunden nach Belieben musizieren konnten, damit ihnen die Zeit nicht lang werde. König Philipp III. von Spanien nahm Unterricht im Gambenspiel, in Frankreich Ludwig XIV. und Ludwig XV., dessen Tochter sich als Gambistin malen liess; auch der grosse Kurfürst von Brandenburg war ein Liebhaber dieses Instruments und es gab wohl keine, wenn auch noch so bescheidene Resideny in Deutschland, an der nicht Gambe gespielt worden wäre.
In Laufe der Geschichte waren ihr verschiedene Aufgaben zugedacht: Bis in's halbe 17. Jh. pflegte man das Spiel im Gambenchor, später bevorzugte man die Gambe als Solo-Instrument, bis sie schliesslich dem neuen Klangideal des Violoncells und der Geige weichen musste.
"Die vor hundert Jahren so unentbehrliche Gambe, ohne welche weder Kirchen- noch Kammermusik besetzt werden konnte, die in allen öffentlichen und Privatkonzerten das ausschliessende Recht hatte, sich vom Anfange bis zum Ende vor allen anderen Instrumenten hören zu lassen..., von diesem allgemein herrschenden und beliebten Instrumente wird nun in der Zeit von einem Menschenalter in ganz Europa keine Idee mehr übrig seyn; sie müsste denn... als ein saitenloses, von Würmern zerfressenes Exemplar in einer der Hof-Musikkammern wieder hervorgesucht werden..." (E. L. Gerber, 1746-1819, Neues hist.-biogr. Lexikon d. Tonkünstler)
Im Schloss zu Cöthen übte der junge Prinz Leopold auf der Gambe, Sein Vater, der Fürst, fand die Staatseinkünfte zu gering, um sich den Luxus einer Kapelle gestatten zu können. Wahrscheinlich aber war diese Haltung mehr durch eine streng puritanisch-calvinistische Einstellung verursacht als durch einen zu lnappen Geldbeutel. Jedenfalls gab die Mutter, nach des Fürsten frühem Tod, den Bitten ihres 12jährigen Sohnes endlich nach und nahm drei Musiker an den Hof; die Cöthen'sche Hofkapelle war gegründet.
Das gab ein Aufsehen im stillen Cöthen! "Brothdiebe, Ertzpfuscher" bekamen die neuernannten Hofmusiker von ihren Kollegen, den Stadtmusikanten, zu hören - die Drei blieben jedoch im Amt und Würden, selbst als Leopold zur Ausbildung an die Ritterakademie nach Berlin musste und anschliessend - natürlich in Begleitung des Hofmeisters - die übliche Cavaliersreise antrat.
1713 kam Leopold wieder nach Hause, 2 Jahre später wurde er grossjärig. Als Fürst konnte er sich nun weit mehr seiner geliebten Musik widmen. Da kurz vorher in Berlin die Hofkapelle Friedrich Wilhelm I. aufgelöst worden war, ergriff Leopold die Gelegenheit, einige der ehemalig Königlich Preussischen Hofmusiker in seine Dienste zu nehmen. Bald verfügte er über ein ausgezeichnetes Ensemble von 18 Musikern, das er "Collegium musicum" nannte. Als jedoch die Frau des Kapellmeisters Stricker fand, dass sie als Sängerin zu wenig beschäftigt sei und Stricker kündigte, fasste der 22jährige Fürst Leopold den Entschluss, J. S. Bach an seinen Hof zu berufen.
Bach nahm die Berufung gerne an, hatten sich doch im Schloss von Weimar während seiner dortigen Dienstzeit die Verhältnisse so sehr geändert, dass er sich nicht mehr wohlfühlte. So leicht ihn aber der regioerende Herzog nicht ziehen. Als Bach um seine Entlassung bat, wurde sie ihm erst verweigert, schlieslich wurde sein Dienst ziemlich drastisch beendet: "6 November ist der bisherige Concertmeister und Organist Bach wegen seiner halsstarrigen Bezeugung von zu erzwingender Dimission auf der Landrichterstube arretiert und endlich den 2. Dezember darauf mit angezeigter ungnädiger Dimission des Arrestes befreyet worden".
Vielleicht empfand Bach die darauf folgenden Jahre in Cöthen als die glücklichsten seines Lebens: "Daselbst hatte einen gnädigen und Music so wohl liebenden als kennenden Fürsten, bez welchem auch vermeinete meine Lebenszeit zu beschliessen", schreibt er später an seinen Jugendfreund Erdmann. "Es musste sich aber fügen, dass erwehnter Serenissimus sich mit einer Berenburgischen Prinzessin  vermählte, da es denn das Ansehen gewinnen wolte, als ob die musicalische Inclination bez gesagtem Fürsten in etwas laulicht werden wolte, zumahle da die neue Fürstin schiene eine amusa zu seyn", ist leider der bittere Nachsatz.
Unter dem Einflusse dieser Frau wurde der Musik bald nur mehr eine bescheidene Rolle bei Hof gestattet, und so entschloss sich Bach, von Cöthen zu scheiden um Cantor in Leipzig zu werden. "Der Fürst liebte ihn sehr", berichtet Forkel, erfüllte aber doch den Wunsch seines Kapellmeisters: "Wan aber derselbe anderweit seine Fortun vor itzo zu suchen willens, und uns deshalb um gnädigste dimission unterthänigst angelanget: Als haben, Wir ihm dieselbe hier durc in gnaden ertheilen, und zu anderweiten Diensten bestens recommendiren wollen", schreibt Leopold in Bach's Entlassungsddecret Eine Woche vorher, am 4. April, war die "Amusa" gestorben, doch konnte dies den Lauf der Dinge nicht mehr ändern. Bach und Fürst Leopold aber, blieben einander bis zu dessen frühem Tod in herzlicher Freundenschaft verbunden.
Unter der folgenden Regierung von Leopolds Bruder, August Ludwig, wurde die Kapelle auf 12 Mitglieder vermindert, 1754 wurden alle Mitglieder durch fürstlichen ohne Kündigung und Pensionsansprüche fristols entlassen. Selbst die Bitte des Rentkammerdirektors "denen alten, welche auf die 40 Jahre alhier gedienet und nunmehro ausser Stande seyn, anderwärts ihr Fortun und dürftiges Brodt zu suchen", blieb ungehört. Was mag das Schicksal der 4 Musiker gewesen sein, darunter sich der Gambist Christ. F. Abel befand, der erste, der vielleicht mit Bach am Cembalo dessen Gambensonaten gespielt hat? Wie mag es Kammermusikus Freytag ergangen sein, dem Ersten, den Leopolds Mutter, Gisela Agnes für das Kammerquartett bestellt hatte?
August Ludwig richtete sich ein militärisches Hautboistenkorps ein, der grösste Teil der Musikbibliothek war schon bald nach Leopolds Tod verschwunden, einzig einige alte Instrumente aus dem Inventar von Bach's Zeit blieben stumm gewordene Zeugen des Höhepunkts der musikalischen Vergangenheit eines Geschlechtes,
Wir danken Bach's Aufenthalt in Cöthen den grössten Teil seiner weltlichen Instrumentamusik, darunter auch die Gambensonaten.
Der autographe Titel, in zweien dieser Sonaten erhalten, lautet: "Sonata a cembalo e Viola da Gamba".
Das könnte uns leicht zu der irrigen Meinung führen, es wären Sonaten mit Klavierbegleitung, wie wir sie später von den Klassikern und Romantikern kennen, bei deren Wiedergabe sich ein Streicher meist vergeblich müht, neben dem Tonschwall eines Klavieres zu bestehen.
Diese Sonaten sind aber als Trios komponiert, das heisst: drei gleichberechtigte Stimmen sind darin kunstwoll kontrapunktisch verarbeitet. Eine dieser drei Stimmen, meist die Mittelstimme, wird von der Gambe gespielt, Bass und Sopran sind dem Cembalo zugedacht.
Der Ton des Cembalos war meist zu zart, um neben einem Streichoder Blasinstrument bestehen zu können. Es war daher üblich, die Bass-Stimme (linke Hand) des Cembaloparts durch ein anderes Instrument zu stützen. Nach Belieben wurde dazu ein Violoncello, eine Gambe, oder - zu Bläsern - häufig ein Fagott benützt. Überdies hatte das Barock eine besondere Vorliebe für starke Bässe. Der Bach-Schüler Kirnberger schreibt in Sulzer's "Allgemeine Theorie der Schönen Künste" 1778: "Das Wichtigste ist hiebey das Verhältniss der Bässe gegen obern Stimmen, damit der Bass allzeit über alle andre Stimmen herrsche, weil dieses seine Natur ist". Man sollte darum in der Kammermusik wirklich niemals auf ein Continuo-Instrument verzichten.
Die Gambenstimme dieser 3 Bach'schen Sonaten ist für eine siebensaitige Gambe geschrieben. Bach fordert einen Tonumfang, den die sechssaitige Gambe nicht zu erfüllen vermag. Er führt die Stimme bis zum G1, während die tiefste Saite der sechssaitigen Gambe das D ist. Auch die Scordatur kann hier nicht helfen. Wer nur über eine sechssaitige Gambe verfügt, muss die betreffenden Stellen um eine Oktave versetzen.
Das den Gambensonaten folgende Trio ist eine frühere Fassung der 1. Gambensonate. Sie ist in einer alten Abschrift erhalten, welche von der Hand Zulter's die Überschrift: "Trio für zwei Flöten und Bass" trägt. Da nicht erwiesen ist, dass diese Besetzungsangabe tatsächlich von Bach selbst herrührt, ausserdem das Barock in der Instrumentwahl sehr freizügig war, habe ich mich nicht verpflichtet gefühlt, den Angaben Zelter's zu folgen und habe statt zweiter Flöten die Besetzung der Trio-Sonate des Musikalischen opfers gewählt.
Isolde Ahlgrimm

Instrumentarium der Gambensonaten:
Siebensaitige Gambe von Christoph Klinger, Rattenberg in Tirol 1683; aufgefunden 1937 bei einem Trödler in Amstetten (Nied. Österreich). 1807 war die Gambe laut Inschrift im erneuerten Wirbelkasten auf ein Cello umgearbeitet worden, wobei jedoch der originale Kopf erhalten blieb, was ermöglichte, den Originalzustand wieder herzustellen.
Fünfsaitige Gambe von Johannes Maria, Nord-Italien ca. 1530.

Instrumentarium der Trio-Sonate:
Flöte von J. M. Bürger, Strassburg um 1835.
Violine: sub disciplina Nicolai Amati, Cremona, um 1680.
Violoncello von Francesco Rugger detto il Per, Cremona 1683

Nikolaus Harnoncourt (1929-2016)
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